Steuersenkungen – Ja aber. Votum von Kantonsrat Matthias Freivogel

Steuersenkungen für niedrigste Einkommen!

Ich gebe Ihnen ein paar Stichworte bzw. Schlagzeilen aus den Medien aus den letzten Monaten dazu:

       Die Politik hat die Not noch nicht erkannt – Mieterinnen und Mietern stehen harte Zeiten bevor

       Für Mieter könnte es ungemütlich werden

       Da trifft einen ja der Stromschlag – die Preise für Strom und Gas sind auch in Schaffhausen regelrecht explodiert (SN vom 29.04.2023); «und es stimmt: die Letzten beissen die Hunde» (= Subtitel der SN dazu)

       Ansturm auf die Schuldenberatung

       Das, was die Importkartelle mit ihren Margen draufhauen, ist keineswegs geeignet, den unteren Mittelstand und die Geringverdienenden zu schonen. Im Gegenteil!

       Die Inflation treibt mehr Leute in die Armut

       Ein Vierpersonenhaushalt zahlt 2024 rund 280 Franken mehr für Strom (SN 31.8.2023).

       Erhöhung Referenzzinssatz: «Über eine Million Haushalte müssen sich auf höhere Mietrechnungen gefasst machen. Das ist eine Hiobsbotschaft für die Ärmeren.»

       Am 11. August: Die nächste Mietzinserhöhung kommt bestimmt

       Armut in der Schweiz wächst: Am stärksten betroffen sind Menschen, denen es finanziell ohnehin schon schlecht geht. Ihnen droht das Abdriften in eine Schuldenspirale. 

Eine Fachstelle hilf dabei, diese zu durchbrechen und ist dabei völlig absorbiert

       Gas wird teurer – 2024 steigen die Gaspreise um 2,8% 

       Und am letzten Freitag in der SN: Schaffhauser Mieter müssen mehr zahlen – «brutal für die Menschen»

So viel aus den Medien zur wirtschaftlich/gesellschaftlichen Situation. Meine Fraktionskollegin Isabelle Lüthi ist auf diesem Gebiet als Fachspezialistin bei der Caritas in Zürich tätig; sie wird noch näher auf diese Problematik eingehen. 

Ich wende mich jetzt dem in der Motion vorgeschlagenen neuen Steuertarif zu. Dieser ist absolut wasserdicht, denn er wurde von zwei Koryphäen des Kantonsrates nachgerechnet. 

Ausgangspunkt bildet der Einstieg, also die Höhe des steuerpflichtigen Einkommens, ab welchem Steuern bezahlt werden müssen. Aktuell beginnt der Steuertarif bei uns bei 6400 Franken, steuerbare Einkommen bis 6300 Franken sind steuerfrei. Das ist vergleichsweise niedrig angesetzt, weshalb wir von der SP der Auffassung sind, dass der Hebel zur Entlastung des Teiles der Bevölkerung, der ums finanzielle Überleben täglich kämpfen muss, primär hier anzusetzen ist. Ich habe mich deshalb etwas umgeschaut bei den anderen Kantonen und folgende steuerfreie Beträge gefunden: 

       SG:      CHF 11’000

       NW:     CHF 11’200

       LU:       CHF   9’600

       BL:       CHF 15’000

       SO:      CHF 12’000

       GR:      CHF 15’500

       AR:       CHF   8’000

       TG:       CHF 12’000 (seit 2023) vorher 11’700

 

Es gibt natürlich auch Kantone, die tiefer liegen, wie z.B. Zürich, wo für die ersten 6700 Franken keine Steuern bezahlt werden müssen. Zur Erinnerung: Wir liegen momentan noch tiefer bei 6300 Franken und befinden uns damit weit hinten in der Rangliste. 

Das gilt es jetzt zu ändern, und zwar so, dass der neue Tarif nicht dazu führt, dass gleichzeitig auch die oberen Einkommen profitieren. Wie der schriftlichen Begründung meiner Motion Nr. 2022/7 mit den umfangreichen Berechnungen entnommen werden kann, ist das machbar. Wenn der Wille dazu und Einsatzbereitschaft besteht, gibt es auch einen Weg! Der von der Motion vorgeschlagene Tarif orientiert sich beim Einstieg in die Besteuerung am Kanton Thurgau, dort sind die ersten 12’000 Franken steuerfrei. Dieser Nachbarkanton ist ja nicht unbedingt bekannt dafür, dass er ein Magnet für sog. wenig attraktive Steuerzahlende bzw. Leute sein will, die Sozialhilfe beziehen. Doch wir hatten Thurgau auch im Blickfeld, als es darum ging, unsere Versicherungsabzüge denjenigen Kantonen abzupassen, die Spitzenreiter waren. Pro memoria – ich zitiere: «Wenn man Abzüge macht, profitieren proportional gesehen die hohen Einkommen mehr als die tiefen Einkommen», sagte Ratskollege Christian Heydecker (FDP) in seiner Replik auf einen Antrag von Matthias Frick in einer Spezialkommission im Mai 2021, als die Versicherungsabzüge bzw. deren Höhe diskutiert wurde. Frick schlug eine markante Erhöhung auf 7’500 für Verheiratete sowie 3’750 für die übrigen Steuerpflichtgen vor, so wie es das Volk ja nachher auch angenommen hat. Was will ich damit sagen? 

Dass es eben mit der Erhöhung von Abzügen nicht getan ist -und auch nicht mit kurzsichtigen übermässigen Senkungen des Steuerfusses!

Davon profitieren vor allem – ich betone das – die hohen Einkommen viel mehr als die tiefen. Sie haben sicher die letzte az vom 14. Dezember gelesen, dort wird das eindrücklich belegt (Zitat): «Zusammengefasst machen die Vulnerablen und die Armen etwas mehr als ein Drittel der Steuerpflichtigen aus, kriegen aber nur 4 Prozent des Steuergeschenkes».

 

Mit dem in der Motion vorgeschlagenen neuen Tarif sollen genau diese Leute nachhaltig entlastet werden, die am Rande des Existenzminimums leben, öfters auch, obwohl sie voll arbeiten. Wir dürfen es nicht länger zulassen, dass diejenigen, welche zu 100 Prozent oder sogar mehr «bügeln», als «working poor» im Dauerregen stehengelassen werden. Während diejenigen, die locker in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, durch dauerhaft im Gesetz verankerte, saftig erhöhte Abzüge massive Steuererleichterungen erhalten haben. 

Jetzt sind endlich diejenigen an der Reihe, die jeden Franken x-mal umdrehen müssen, bevor sie ihn – meist für das Lebens-notwendige! – ausgeben müssen. Das bleibt auch so nach der neusten Senkung des Steuerfusses um 8 Prozent, denn dies kann und wird keine auf Nachhaltigkeit gebaute Lösung sein.

 

Ja, und der Kanton kann es sich leisten – nach wie vor, auch nach der neusten Senkung des Steuerfusses. Und ich sage klipp und klar: Wenn es darum geht, endlich auch die Schwächsten zu entlasten, dann muss auch – falls nötig – über eine Erhöhung des Steuerfusses nachgedacht werden! Ich zitiere die Finanz-direktorin (SN 25.11.2021, also vor gut 2 Jahren): «Der Kanton steht finanziell extrem gut da». Das zeigte dann auch der Jahresabschluss 22, der erneut mit einem satten Ertrags-überschuss von mehr als 62 Millionen abgeschlossen hat. Und auch der Abschluss 23 soll gemäss neuster Information der Finanzdirektorin an der Bugetsitzung mit einem soliden Plus abschliessen. 

 

Es kann nicht sein, wenn es heute um die dauerhafte Entlastung speziell der untersten Einkommen geht, dass es jetzt plötzlich heisst, dafür haben wir kein Geld! Ich rufe Ihnen in Erinnerung «das Wohl der Stärkeren misst sich daran, wie wir mit den Schwächeren umgehen». Und auf diese gilt es nun endlich mehr Rücksicht zu nehmen!  

 

Ich habe die durch die geforderte Traifanpassung zu erwartenden Steuerausfälle in der Motionsbegründung auf rund 12 Millionen geschätzt, was vor dem Hintergrund der in den letzten Jahren mit Anpassungen im Steuergesetz – Stichworte: markante Erhöhung der Versicherungsabzüge, Reduktion der Vermögenssteuern – sowie den ebenso markanten Senkungen des Steuerfusses als tragbar einzustufen ist. Umso mehr, als gemäss neuster Steuerprognosen der Regierung durch die kantonale Umsetzung der OECD-Mindeststeuer Mehreinnahmen in Bereich von 18 Millionen zu erwarten sind, kurzfristig wahrscheinlich sogar mehr.

Das Steuercredo der SP lautet ja nach wie vor, die Steuern müssten so hoch wie nötig und so tief wie möglich sein. Das hängt natürlich vom Blickwinkel ab, den man einnimmt. Gleichwohl ist es eine zentrale pragmatische Richtschnur in der Steuerpolitik. Und diese Richtschnur lief in den letzten Jahren stets nach unten, wie es in der letzten az auf Basis von Zahlen des BfS eindrücklich aufgezeigt und von bürgerlicher Seite ebenso dogmatisch wie unzutreffend begründet wird, es gehe darum, an die Steuerzahlenden zu viel bezahlte Steuern zurückzugeben. 

Ich halte dazu einfach fest: Die natürlichen Personen haben in den letzten 10 Jahren im Kanton Schaffhausen nicht zu viel Steuern bezahlt! Die hohen Erträge kamen von den jur. Personen (Stichwort STAF-Umsetzung mit step-up) sowie von der Kantonal- und National-bank. Man kann es drehen und wenden wie man will: Mit der achtprozentigen Steuerfusssenkung profitieren die tiefen Einkommen vergleichsweise wenig, während es oben deutlich einschenkt. Diese in den letzten Jahren mehrfach von bürgerlicher Seite gepushte Dysbalance gilt es jetzt angemessen und dauerhaft mit einer Korrektur des Tarifes zugunsten der untersten Einkommen zu korrigieren, indem der Einstieg in die Steuerpflicht von heute 6’400 Franken deutlich angehoben wird.

 

Noch ein paar neuste interessante Zahlen aus der Kantonalen Steuerstatistik 2021 zu den Primärsteuerpflichtigen. Davon gibt es heute wohl etwas mehr als 50’000 – 2021 waren es genau 49’599 im Kanton: In der Einkommensstufe 1 bis 24’999 gab es im Jahr 2021 genau 8’894 Steuerpflichtige, die insgesamt, notabene bei einem Steuerfuss von 102 Prozent, lediglich 2’550’339 Franken an Steuern ablieferten, was 1,44 Prozent an Einkommenssteuern ausmacht.

 

Müssten all diese Leute mit einem steuerbaren Einkommen bis 25’000 Franken – die az ordnet sie als «arm oder (teilweise) als vulnerabel» ein – keine Steuern mehr bezahlen, würde dies bei einem per 2024 stark reduzierten Steuerfuss von 81 Prozent weniger als 1 Steuerfussprozent, also weniger als 2,631 Mio. ausmachen. Wäre das tragbar? 

Die Antwort liegt auf der Hand: Ja, nachdem der Kantonsrat vor einem Monat mit bürgerlicher Mehrheit und Verantwortung den Steuerfuss um 8 Prozent gesenkt hat, was knapp 21 Millionen ausmacht. Notabene: Einige bürgerliche Ratsmitglieder hatten sogar 10 Prozent gefordert!

 

Die Besteuerung der juristischen Personen mit mindestens 15 Prozent, wie sie vom Volk Mitte November sehr deutlich angenommen wurde, wird ab 2024 endlich so hoch sein wie nötig, was umgekehrt jetzt die Perspektive verstärkt, für die untersten Einkommen der natürlichen Personen einen neuen Tarif so tief wie möglich einzuführen. 

 

Der mit der Motion vorgeschlagene neue Steuertarif bietet eine angemessene, schnell umsetzbare und nachhaltige Lösung dazu. Sollte Ihnen der konkret vorgeschlagene Tarif in irgendeiner Weise nicht oder zu wenig passen, bitte ich um konstruktive Änderungsvorschläge. Wir stehen solchen offen gegenüber – aber für die finanziell Schwächsten unserer Gesellschaft muss jetzt etwas gehen!

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