Unter der Bundeskuppel ist es die SP gewohnt, sich warm anzuziehen. Jetzt sind auch die Raumtemperaturen tief. Der riesige Baum im Bundeshaus ist festlich geschmückt, aber die Kerzen fehlen. Das Energiesparen ist auch in Bern angekommen. Der Abschied von Simonetta Sommaruga fiel uns allen schwer. Sie hat mit grosser Fachkenntnis und Engagement für unsere Anliegen gekämpft. In einem oft garstigen Umfeld hat sie viel erreicht. Trotz harten Auseinandersetzungen war sie im Herzen der SP stets verbunden geblieben. Ihre Abschiedsrede berührte uns alle. Die Kernaussage: soziale Gerechtigkeit ist die Basis für Frieden und Wohlstand.
Für Bundesratswahlen wird das Bundeshaus auf den Kopf gestellt
Das Frauenticket der SP und der Alleingang von Daniel Jositsch sorgten im Vorfeld für Schlagzeilen. Unsere drei SP-Kandidatinnen haben sich alle auf der Roadshow bewährt. Sie waren alle hochkompetent mit Exekutiverfahrung. Zwei dieser drei Frauen schafften es aufs Ticket. Doch im ersten Wahlgang haben 58 Personen Daniel Jositsch als Machtdemonstration auf den Wahlzettel geschrieben. Gewählt wurde dann die als Aussenseiterin gehandelte Elisabeth Baume-Schneider. Sie hat viel Charme, aber auch viel Biss! In ihr haben sich die Bürgerlichen wohl getäuscht. Die Dossiers kennt sie gut und hat Durchsetzungskraft. Hingegen könnte der «gmögige» Rösti für unser Land gefährlich werden. Als Parteipräsident war er verantwortlich für das Plakat mit dem Apfel und den Würmern. Angesprochen auf diese Nazimetapher ist bis heute noch immer keine Reue zu spüren. Das ist beängstigend. Er hat auch das Potenzial beim Service Public, den Medien, der Verkehrs- und Umweltpolitik viel zu zerstören, was unsere Bundesrätin jahrelang aufgebaut hat.
Düstere Wolken am Finanzhimmel
Der Voranschlag 2023 war mit rund 80 Milliarden Franken knapp im Lot. Der Sanierungsbe- darf aus den Corona-Zeiten ist erheblich, doch unsere Schuldenquote ist noch immer eine der tiefsten weltweit. Sparrunden wurden ausnahmsweise kein beschlossen. Kontrovers verlief die Diskussion bezüglich unserer Solidarität gegenüber den Betroffenen des Ukrainek- riegs sowie bezüglich humanitärer Hilfe. Die Ärmsten dieser Welt leiden unter dem Krieg und sind auf Hilfe angewiesen. Leider prallten unsere Anträge ab. Gebetsmühlenartig predigte die SVP das Sparen. Doch für die Landwirtschaft und die Armee gelten andere Regeln. Das Budget der Armee wird weiter erhöht, obwohl keine tauglichen Investitionspläne bestehen. Grosse Investitionen kommen auf uns zu: Dekarbonisierung, Zubau von erneuerbaren Energien und höhere Prämienverbilligungen zur Stützung der Kaufkraft werden die Bundes- finanzen stark belasten. Auch die Individualbesteuerung wird diesbezüglich eine Knacknuss werden.
… und schon wieder Steuerprivilegien für Konzerne
Tonnage-Tax – noch nie gehört? So geht es wohl den meisten. Trotzdem will der Nationalrat ein Steuerschlupfloch schaffen, das uns rund 2 Milliarden Franken kosten wird. Das Prinzip ist einfach: Schifffahrtsunternehmen mit Sitz in der Schweiz werden nicht mehr nach Gewinn, sondern wahlweise nach ihren Transportkapazitäten besteuert. Das ist vergleichbar, wie wenn wir nach Körpergewicht statt nach Einkommen Steuern zahlen müssten. Profitie- ren können milliardenschwere Reedereien und Rohstoffkonzerne. Klima- und Umweltaspekte werden dabei ignoriert, Dumping-Löhne in der Rohstoff- und Frachtschiffbranche akzeptiert. Wird dieser Entscheid nicht vom Ständerat korrigiert, müssen wir das Referendum ergreifen. Die OECD will die Ausbeutung der Länder des Südens mit einer Mindeststeuer von 15% stoppen. Die Schweiz führt deshalb eine Ergänzungssteuer ein, die 1.5 bis 2 Milliarden Fran- ken einbringen wird. Statt das Geld an die ausgebeuteten Länder zurückzugeben, wird im Parlament gestritten wie das Geld zwischen Bund und Kantonen verteilt wird. Der Ständerat fordert einen hohen Kantonsanteil von 75%, damit die Tiefsteuerkantone die Grosskonzerne mit Standortvorteilen weiter privilegieren können. Im Nationalrat obsiegte eine gerechtere Lösung, doch er wurde vom Ständerat überstimmt. Die Vorlage kommt im Juni 2023 an die Urne. Wir werden die Steuerreform bekämpfen, da sie Steuerdumping der Kantone fördert.
Wölfe dürfen präventiv geschossen werden
Das Jagd- und Schutzgesetz wurde 2020 an der Urne abgelehnt. Seither wird das Thema im Parlament emotional diskutiert. Bis vor kurzen war der Wolf in der Schweiz ausgerottet. Jetzt ist er zurück und wird Teil unseres Ökosystems. Er hält das Wild auf Trab und schützt damit den Jungwuchs in den Schutzwäldern vor Verbiss. Wir müssen ein friedliches Nebeneinander von Wolf und Mensch finden. Nun hat sich der Wolfsbestand rasch entwickelt und muss heute stärker reguliert werden, darin sind sich alle einig. Alle betroffenen Kreise haben deshalb einen Kompromiss erarbeitet. Die Landwirtschaftsvertreter, die auch am Tisch gesessen sind, drücken trotzdem ihr Modell im Parlament durch, das im Widerspruch mit der Volksabstimmung von 2020 steht. Wölfe können nun präventiv geschossen werden, noch bevor sie einen Schaden verursacht haben.
Sexuelle Selbstbestimmung: «Nur Ja heisst Ja»
Die Revision des Sexualstrafrechts hat polarisiert. Die SP hat mit vielen Frauen auf der Strasse für die Verankerung der Zustimmungslösung «Nur Ja heisst Ja» im Sexualstrafrecht gekämpft. Schon die Widerspruchsvariante «Nein ist Nein», die der Ständerat letzten Juni angenommen hat, wäre ein Fortschritt gegenüber dem heutigen Sexualstrafrecht. Doch der Unterschied ist enorm. Bei der Widerspruchslösung trägt bei einer Vergewaltigung das Opfer eine emotionale Mitverantwortung für die Tat, denn es muss ein zumutbares Mass an Widerstand leisten. Bei der Zustimmungslösung «Nur Ja heisst Ja» ist der Wille des Opfers entscheidend. Im Strafrecht ist diese Lösung normal und nicht so exotisch wie man es uns weis machen wollte. Niemand leiht sich ein Velo aus, ohne die Besitzerin zu fragen, das wäre Diebstahl. Warum sollte unser Körper weniger gut geschützt sein? In beeindruckender Weise ist es Tamara Funiciello gelungen, den Nationalrat von der «Nur Ja heisst Ja» Lösung zu überzeugen. Die Schweiz ist damit das 14. europäische Land, welches die sexuelle Selbst- bestimmung mit «Ja ist Ja» ins Gesetz aufnimmt. Dafür muss im männerdominierten Ständerat noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Ich bin überzeugt, Tamara schafft das!
Dreifache Klatsche für Menschen mit kleinem Einkommen
Haushalte mit tiefen Einkommen leiden unter der Teuerung. Mit der Prämienverbilligung kann die Kaufkraft effizient gestützt werden. Die SP hat deshalb die Prämienentlastungs- initiative eingereicht. Es ist uns gelungen, im Nationalrat einen wirksamen Gegenvorschlag zu zimmern. Der Ständerat ist darauf nicht einmal eingetreten, ein Affront. Er anerkennt damit den Kaufkraftverlust nicht einmal als Problem. Zudem hat der Ständerat bei der beruflichen Vorsorge das Versprechen der letzten AHV-Abstimmung gebrochen: Menschen mit kleinem Einkommen sollen mehr einzahlen und weniger Rente erhalten! Umso wichti- ger ist die AHV für armutsgefährdete Personen. Doch auch diese Renten sind zu tief und sichern die Existenz nicht. Die Initiative für eine 13. AHV-Rente will das ändern. Doch die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat sagte dazu Nein. Der Nationalrat hat zudem die soziale Sicherheit der Arbeitenden im Tieflohnsegment geschwächt mit einer Motion, welche Min- destlöhne aushebelt. Kantonale Mindestlöhne gelten nicht, sofern diese höher sind als die Mindestlöhne gemäss GAV. Bürgerliche betreiben damit ein gefährliches Sozialdumping.
Erfolgsserie: Erneuerbare, Lebensmittelkriminalität und Verschotterung
Hürden für die Bewilligung von Fotovoltaikanlagen sollen abgebaut werden: Der Nationalrat hat meiner Motion 22.3953 «Beschleunigtes Bewilligungsverfahren für Fotovoltaikanlagen auf Infrastrukturanlagen» zugestimmt. Damit können unbestrittene PV-Anlagen rascher realisiert werden. Der Vorstoss geht jetzt weiter in den Ständerat.
«Stopp dem Lebensmittelbetrug» 21.3691: diese Motion habe ich vor eineinhalb Jahren ein- gereicht. Sie wurde diese Session vom Ständerat gutgeheissen und kann endlich umgesetzt werden. Die EU hat die Gesetze verschärft, seither werden viele Fälle von Lebensmittelbetrug aufgedeckt, von gepanschtem Olivenöl bis Zitronensaft aus dem Chemielabor. Die Schweiz ist als Hochpreisinsel attraktiv für Lebensmittelkriminalität. Das muss sich ändern.
Der Bericht zu meinem Postulat «Stopp der Verschotterung von Grünflächen» hat der Bun- desrat diese Tage fertig gestellt mit Empfehlungen, um die öden Schottergärten in der Bau- und Nutzungsplanung zu regeln und den naturnahen Siedlungsraum zu fördern.
Hallau, 17.12.2022, Martina Munz, Nationalrätin www.martinamunz.ch 2/2