www.martinamunz.ch
Der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine und der anhaltende Angriffskrieg Putins begleitete uns durch die ganze Session. Elementare Werte sind in Gefahr: Freiheit, Demokratie und Frieden. Viele Menschen sind auf der Flucht. Diejenigen, die im Land bleiben, müssen sich schrecklicher Gewalt aussetzen. Die Schweiz muss Farbe bekennen. Zu Beginn der Frühlingssession forderte der Nationalrat in einer Erklärung den sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine und verurteilte den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg aufs Schärfste. Insbesondere die Mitte-Fraktion, die sonst gerne moderat argumentiert, beeindruckte mit einer scharfen Verurteilung. Einstimmigkeit gab es aber im Parlament trotzdem nicht. Ein Teil der SVP-Fraktion wollte die Erklärung aus Neutralitätsgründen nicht überweisen. Neutralität ist kein Grund, Völkerrechtsverletzungen zu tolerieren. Eine glaubwürdige Schweiz muss sich für völkerrechtliche Grundwerte einsetzen. Deshalb wurde auch die Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat mit grossem Mehr bestätigt.
Gletscherinitiative mit Netto-Null-Ziel 2050: Jetzt erst recht!
Die Schweiz darf bis ins Jahr 2050 kein CO2 mehr ausstossen; das fordert die Gletscherinitiative. Dies entspricht auch dem Klimaziel des Bundesrates. Trotzdem unterstützt er die Initiative nicht und präsentierte einen direkten Gegenentwurf, der nur leicht vom Initiativtext abweicht, aber fossile Energie nicht vollständig verbietet. Dieser Gegenentwurf hätte kaum Chancen gehabt, hätten nicht die aktuell steigenden Gaspreise einige zum Umdenken veranlasst. Doch bei der Initiative und dem direkten Gegenentwurf gibt es vorerst nur einen Verfassungseintrag. Griffige Massnahmen sind noch in weiter Ferne. Die SP brachte deshalb einen Heizungsersatz ins Spiel. Jährlich sollen 500 Millionen Franken für den Ersatz von fossilen Heizungen zur Verfügung stehen; eine effektive Massnahme zur Reduktion von fossilem Gas und Heizöl. Fast wäre uns dieser Coup gelungen. Eine erste Abstimmung ging mit Hilfe einiger abtrünniger SVPler zu unseren Gunsten aus. Doch ihr Fraktionspräsident stürmte ans Rednerpult und verlangte eine Wiederholung, seine Leute seien überrumpelt gewesen. In der Zwischenzeit brachte er seine Schäfchen auf Kurs. Jetzt versuchen wir auf Gesetzesebene weiter an einem indirekten Gegenentwurf zu zimmern. Der Ukrainekrieg könnte uns die Augen für die Abhängigkeit von fossiler Energie öffnen.
Aufwertung des Veloverkehrs: nun sind Kantone in der Pflicht
Dreieinhalb Jahre sind vergangen, seit das Volk den Bundesbeschluss über die Velowege angenommen hat. Nun steht das Veloweggesetz. Die Kantone werden verpflichtet, innert fünf Jahren ein Velowegnetz zu planen und dieses innert weiteren 15 Jahren zu realisieren. Velospuren sollen nicht mehr an den Gemeindegrenzen enden. Das Netz muss zusammenhängend sein. Gleichzeitig soll es direkt, sicher und attraktiv sein. Der Bund hat das Gesetz verabschiedet. Jetzt muss es in den Kantonen umgesetzt werden. Auf den Kanton Schaffhausen kommt viel Arbeit zu. Die Organisationen wie IG Velo und VCS, aberauch Kantonsratsmitglieder sind aufgerufen, die Planung und Umsetzung eines attraktiven Velowegnetzes einzufordern, damit Velofahren auch bei uns bald attraktiv wird.
Schluss mit tierquälerischer Delikatesse
Jedes Jahr werden in die Schweiz 200 Tonnen Fois Gras importiert. Dafür leiden einige hunderttausend Gänse unglaubliche Qualen. Seit den 70er Jahren ist die Stopfleberproduktion in der Schweiz verboten. Gänsen und Enten wird fünf Mal am Tag ein 30 cm langes Rohr in den Hals gerammt, um einen kalorienreichen Fettbrei in den Magen zu pumpen. Eine kranke Fettleber, in Zwangsernährung hergestellt, ist eine unwürdige Tierquälerei für Gourmets. Mehrmals haben wir versucht, den Import von Stopfleber zu verbieten – ohne Erfolg. Der erbitterte Widerstand kam insbesondere auch von Romandsin unseren Reihen. Nun wurde der Vorstoss aus bäuerlichen Kreisen eingereicht und – oh Wunder – die Motion kam mit klarem Mehr durch. Oft ist der Absender wichtiger als der Inhalt.
Gentechnik durch die Hintertüre?
Noch gilt das Anbaumoratorium für gentechnisch veränderte Pflanzen. Agrarkonzerne, aber auch die Wissenschaft haben Druck gemacht, die neuen gentechnischen Verfahren ohne Einschränkung zuzulassen. Gefordert wurde, dass genomeditierte Organismen nicht dem Gentechnikgesetz unterstellt werden und damit nicht als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) deklariert werden. Risikoprüfungen würden damit umgangen. Konsumentinnen und Konsumenten könnten GVO-Lebensmittel nicht mehr von herkömmlichen unterscheiden und eine gentechfreie Bio-Landwirtschaft wäre in der Schweiz nicht mehr möglich. Noch im Dezember beteuerte der Präsident des Bauernverbandes, dass Schweizer Qualität gentechfrei sei. Nur gerade einen Monat später vollzog er eine Kehrtwende. Die Bevölkerung wolle keine Pestizide, also sei die Lösung Gentech. Das Parlament öffnete in der Folge die Tür in der umstrittenen Frage einen Spalt breit. Zwar wird das Moratorium bis 2025 ungeschmälert verlängert. Doch die Zeit muss genutzt werden, um ein Gesetz zu erarbeiten für die Zulassung genomeditierter Organismen. Eine verantwortungsvolle Zulassung mit Risikobewertung und Wahlfreiheit wird so mindestens ermöglicht.
Master Professional: Anerkennung der Höheren Berufsbildung
Personen mit einer abgeschlossenen höheren Berufsausbildung sollen künftig die Titel «Bachelor Professional» und «Master Professional» führen dürfen. Es geht um Abschlüsse von Höheren Fachschulen und Höheren Berufsprüfungen. Die Ausbildungen ziehen sich über mehrere Jahre hin und erreichen ein hohes Bildungsniveau. Doch unsere Berufsbezeichnungen sind im Ausland ein „Nonvaleur“. Das Staatssekretariat für Bildung hat sich standhaft geweigert, international anerkannte Titel einzuführen. Nun führt Deutschland den «Bachelor Professional» und «Master Professional» ein. Auch Österreich zieht nach. Wir reaktivierten einen Vorstoss der genau dies fordert. Damals ist er gescheitert, dieses Mal hat es geklappt. Allerdings wehrten sich Vertreter der Fachhochschulen gegen die neuen Berufsbezeichnungen. Doch für unser duales Bildungssystem ist Transparenz bei Bildungsabschlüssen wichtig, insbesondere im internationaler werdenden Umfeld.
Jugendliche sollen über ihre Zukunft mitentscheiden
Die parlamentarische Initiative für das Stimmrechtsalter 16 wurde vom National- und Ständerat angenommen. Doch als es um die Ausarbeitung der Gesetzesvorlage ging, wollte die zuständige Kommission den Rückwärtsgang einlegen und die Initiative abschreiben. Viele Jugendliche wehrten sich dagegen. Sie versuchten am Tag der Abstimmung auf dem Bundesplatz, noch die letzten Unschlüssigen zu überzeugen. Jugendliche sind bereit, am politischen Leben teilzunehmen, um über ihre Zukunft mitzubestimmen. Es erinnerte an den Kampf um das Frauenstimmrecht. Politisches Interesse ist keine Frage des Alters und auch keine Frage der Partei. Der Nationalrat befürwortete erneut das Stimm- und Wahlrechtsalter 16, weil in der FDP und Mitte-Fraktion viele von der Parteilinie abgewichen sind. Jetzt muss sich die Staatspolitische Kommission doch an die Arbeit machen und ein Gesetz ausarbeiten. Das Parlament ist damit fortschrittlicher als die Bevölkerung. Denn in mehreren Kantonen wurde das Stimmrechtsalter 16 an der Urne abgelehnt, so auch im Kanton Schaffhausen. Einzig der Kanton Glarus ermöglicht es den 16- jährigen, sich am politischen Leben aktiv zu beteiligen.
UNO-Sicherheitsrat steht für Frieden und Sicherheit
Die Schweiz kandidiert für einen Sitz im UNO-Sicherheitsrat und hat gute Wahlchancen. Der Sicherheitsrat gilt als das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen und steht für Frieden und Sicherheit. Die SVP wollte diese Kandidatur in letzter Minute stoppen; sie scheiterte klar damit. Sie begründete den Rückzug der Kandidatur mit der Neutralität. Bundespräsident Ignazio Cassis erklärte, das Engagement im Sicherheitsrat stehe der Neutralität nicht entgegen. Die Schweiz ist neutral, auch wenn sie Sanktionen gegen Russland mitträgt. Bei Völkerrechtsverletzungen muss die Schweiz Stellung beziehen, das zeigt der Krieg in der Ukraine. Die Mission der UNO ist es, den Frieden herzustellen. Bei ihrer Bewerbung für den Sicherheitsrat hat die Schweiz die Menschenrechtspolitik und Rechtsstaatlichkeit ins Zentrum gestellt. Die Schweiz will am Tisch sitzen und die Friedenspolitik mitgestalten.
Hallau, 19.3.2022, Martina Munz, Nationalrätin/ www.martinamunz.ch 2/2