Fraktionserklärung zur Finanzstrategie des Regierungsrates – Die SP-JUSO-Fraktion ist nicht begeistert über die «Finanzstrategie» des Regierungsrates und lehnt sie als unnötig und kontraproduktiv ab. Sie ist ein Armutszeugnis einer bürgerlich dominierten Regierung, die im vorletzten Sommer vor dem Stimmvolk mit ihren Sparplänen, bzw. dem darin vorgesehenen Leistungsabbau in diversen Gebieten, namentlich in der Bildung und der Pflege, eine desaströse Niederlage kassierte, was übrigens auch für den bürgerlich dominierten Kantonsrat gilt. Anstatt daraus den Schluss zu ziehen, anstelle von Abbauvorlagen endlich solche zur Attraktivierung unseres Lebensraumes zu erarbeiten, wie z.B. eine echte Alternative zu 7 to 7, wenn diese doch angeblich viel zu weit gehen soll, was notabene in bürgerlicher Diktion bei Steuersenkungen ja nie der Fall sein kann, fährt man auf der Märklin-Spur H-Null.
Dafür lässt man sich – wohl für teures Geld – im Dunstkreis von BAK-Basel – es riecht jedenfalls stark danach! – eine hochtrabende Finanzstrategie erstellen, die letztlich nichts anderes ist als ein „Finanzkorsett“. Dieses schränkt nämlich den Gestaltungsspielraum ein, ermöglicht aber der Regierung, im mittleren Blindflug bequem mit neuen (Zitat) «verbindlichen numerischen Vorgaben für zentrale Finanzgrössen», angereichert um (Zitat) «informative Kennzahlen», quasi mit dem Autopilot durch die Zeiten des demographischen, gesellschaftlichen und digitalen Wandels zu fliegen. Es macht ganz den Anschein, als wolle sich der Regierungsrat lieber in ruhigen Gewässern bewegen. Herausforderungen will man, obwohl immerhin erkannt (Demographie!), möglichst umschiffen und es dem durch anhaltend schwache Führung sowie kleinkariertes Gezänk geschwächten und bisweilen fast schon an Handlungsunfähigkeit gebrachten Kantonsrates zu überlassen, ob etwas passiert, um dann absehbar gleichwohl eine Mehrzahl der Vorstösse zur Ablehnung zu empfehlen.
So, Frau Regierungspräsidentin, meine Herren Regierungsräte, sieht «prévoir» bestimmt nicht aus, so verwalten sie bestenfalls den Kanton, anstatt mutige Impulse zu geben, ihn neu sowie zeitgemäss und vor allem nachhaltig zu gestalten!
Es braucht jetzt, wie bei WERS vor rund 20 Jahren, einen gemeinsamen Effort, beginnend z.B. mit einem runden Tisch, an welchem ernsthaft und konstruktiv über Zukunftsprojekte des Kantons, die uns nachhaltig stärken, diskutiert wird, und nicht nur darüber, um wie viele Prozentpunkte die Steuern für Unternehmen, insbesondere für solche, die sehr mobil sind, gesenkt werden. Doch nicht einmal zu einem solchen runden Tisch, so scheint es, können Sie sich aufraffen; ich jedenfalls habe noch keine Anzeichen dazu bemerkt. Müssen wir denn unbedingt wie damals in den 90er-Jahren vor WERS mit dem Rücken zur die Wand stehen, bis etwas passiert?
Offenbar glaubt der Regierungsrat, es sei mit einer Demographiestudie und jetzt auch noch einer Finanzstrategie getan. Doch da irren Sie sich. Sollte es dabei bleiben, schleichen Sie sich nachgerade aus der Verantwortung! Offen bleibt allein, wer von Ihnen den aus dem aktuellen Stillstand resultierenden, sich am Horizont bereits abzeichnenden Niedergang des Kantons im Amt noch erleben wird, wobei dies einzig bei der Regierungspräsidentin nicht der Fall sein dürfte. Allein ihre der Regierung aufgedrückte Finanzstrategie ist freilich eher als problematisches Vermächtnis, denn als beglückendes Abschiedsgeschenk an den Kanton zu bewerten.
Nun komme ich noch kurz zu einzelnen Komponenten der Strategie, die sich auf den ersten Blick zwar ebenso süffig wie anspruchsvoll, jedoch bisweilen für Otto bzw. Ottilie Normalverbraucher/In zu hoch bzw. zu doktrinär präsentiert. Eines zeigt sie jedoch ganz klar: Für die Regierung ist ein gutes staatliches Leistungsangebot drittrangig, obwohl es in der Studie, also auf dem Papier, im sog. magischen Zieldreieck auf Seite 5 als gleichwertig mit den anderen Komponenten aufgeführt ist.
Ein gesunder Staatshaushalt, was als wichtige Zielgrösse ja durchaus angebracht ist, vor allem aber eine attraktive Steuerbelastung soll das dominante Kriterium sein, an welchem sich die Leistungen auszurichten haben.
Wollte man, so die Schussfolgerung auf S. 8, auch in der dritten Ecke „Leistungsbereich“ des Dreiecks eine explizite Zielfestlegung vornehmen, dann würde daraus eine „Überdeterminierung“ des Zielsystems resultieren, also müsse man auf eine explizite Festlegung der Leistungsziele verzichten, zumal überdies auch eine einfache Quantifizierung praktisch unmöglich sei.
Das ist – mit Verlaub – völliger Humbug! Ich erläutere Ihnen das anhand eines Beispiels hier im Kanton: Das Schaffhauser Stimmvolk hat zweimal mit klarer Mehrheit entschieden, die Prämienver-billigung bei den Krankenkassen in einem bestimmten, ich sage einmal vernünftigen, durchaus nicht bescheidenen Umfang festzulegen. Notabene gegen den erbitterten Widerstand von bürgerlicher Seite, die nicht müde wurde, für den Fall der Annahme eine Steuererhöhung an die Wand zu malen. Also: Der Souverän hat eine staatliche Leistung bestellt und sich dafür entschieden, diese mit Steuermitteln zu finanzieren. Genau so funktioniert die Demokratie! Folglich kann es nicht sein, dass die Höhe der Steuern die dominante Ecke im magischen Dreieck darstellt. Und folglich ist es auch abzulehnen, wenn der Regierungsrat als Steuerziel deklariert: „Die Steuerbelastung ist vorteilhaft“.
Wenn schon, dann müssten die langfristigen Ziele wie folgt definiert werden:
- Leistungsziel: Die Leistungen sind vorteilhaft und effizient
- Steuerziel: Die Steuerbelastung ist konkurrenzfähig
Alsdann wären noch die Eckpunkte eines gesunden Staatshaushaltes, das Solvenzziel sowie das Liquiditätssziel festzulegen, auf welche ich jetzt nicht mehr näher eingehen werde, da zwar gewiss nicht zu vernachlässigen, doch sehr technokratisch und nicht gerade leicht nachvollziehbar, weshalb sie verständlicher und einfacher zu gestalten wären.
SP-JUSO bleiben deshalb bei ihrer klaren und einfachen Losung:
Die Steuern sind so tief wie möglich und so hoch wie nötig zu halten. Rückblende, Volksentscheid betreffend Prämienverbilligung: Steigen hier die Ausgaben markant an, dann ist dies – wenn nötig! – auf der Steuerseite zu kompensieren. Gemäss Volksentscheid.
Vor kurzem äusserte sich in der NZZ vom 13. November 2017 sodann der Berner Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP), also ein Amts-kollege von Ihnen, Frau Regierungspräsidentin, zu Fragen der Sicherheit, und er monierte, dass der Bund das Grenzwachtkorps nicht aufstocken will, obwohl dies vor 2 Jahren bereits beschlossen wurde. Er erklärte: „Mich ärgert es, wenn Buchhalter die Welt regieren und die Sicherheit dabei offenbar zweitrangig ist“.
Da kann ich nur sagen: „me too“.
Ich komme zum Schluss:
Die SP-JUSO-Fraktion nimmt die Finanzstrategie des Regierungsrates zur Kenntnis und rät diesem mit Nachdruck, darauf zu verzichten und sie zurück zu nehmen. Dieses Papier ist nichts anderes als ein kapitalistisch-technokratischer Auswuchs, den es zu überwinden gilt. Früher oder später.
Matthias Freivogel, SP/JUSO-Fraktionssprecher Finanz- und Steuerpolitik