Gehalten M 1.Mai 2017 in Winterthur und Schaffhausen
Liebe Genossinnen und Genossen, Liebe Kolleginnen und Kollegen, Liebe 1. Maifeiernde
Ich bin heute ausserordentlich gerne nach Winterthur gekommen, in die Stadt in der ich einige Jahre gelebt habe. In eine Stadt mit linker Tradition. In eine Stadt, die stolz ist auf ihr Erbe. Gestern konnten Wil und Winterthur feiern, doch der FC Winti und seine Fangemeinde zeigen eindrücklich dass man sich mit Geld nicht alles kaufen kann. Während dem sich der FC Wil immer wieder auf waghalsige Finanzabenteuer einlässt und auf die Nase fällt.
Doch nicht nur Winterthur hat linke Tradition, sondern auch der 1. Mai. Seit 127 Jahren feiern wir den internationalen Kampftag der Arbeit auf der ganzen Welt. Und seit es den 1. Mai gibt, war es immer ein Tag an dem wir für eine bessere Zukunft für alle kämpfen. So lautet auch das diesjährige Motto des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes: Zukunft für alle. Sozialer. Gerechter.
Aber was heisst es, für eine soziale und gerechte Zukunft für alle zu kämpfen? Spätestens seit Mani Matter wissen wir, dass es denen „wo’s guet geit, besser gieng, giengs dene besser, wo’s weniger guet geit.“ Wenn wir uns heute umschauen, könnten diese Worte kaum zutreffender sein. Weltweit steigt die wirtschaftliche Ungleichheit ungebremst an. Mit verheerenden Auswirkungen für Mensch und Umwelt. 2017 ist das Vermögen der Milliardäre im Vergleich zum Vorjahr um 18 Prozent gewachsen. 62 Personen besitzen gleich viel, wie der Rest der Menschheit. Und wenn wer die GV der Credit Suisse von letzter Woche verfolgt hat, glaubt wohl nicht ernsthaft daran, dass sich daran einfach so etwas ändert. Es muss sich aber etwas ändern, wenn wir es ernst meinen mit einer Zukunft für alle. Während die Reichen immer reicher werden, werden die Perspektiven für alle anderen immer düsterer, stagnieren die Löhne seit Jahren und nimmt die Frustration zu. Und damit sich auch bestimmt nichts ändert, hetzten die reichen Blochers, Trumps und Le Pens gegen die, die für die Situation gar nichts können: gegen Geflüchtete, gegen soziale Minderheiten, gegen Frauen. Das ist ein gefährliches Spiel mit dem Feuer. „I han es Zündhölzli azündt“, sang Mani Matter. Und durch eine Kettenreaktin brennt dann die ganze Welt. Dieses Zündeln bringt uns sicher keine sozialere oder gerechtere Zukunft für alle. Im Gegenteil: Es ist eine Gefahr für uns alle.
Nein, wenn wir eine Zukunft für alle wollen, muss sich etwas ändern. Dann müssen sich alle fair an dieser Gesellschaft beteiligen. Dann müssen Macht, Chancen und Möglichkeiten endlich gerechter verteilt werden!
Am 12. Februar haben wir klar gemacht, dass mit der Selbstbedienungsmentalität von ein paar wenigen endlich Schluss sein muss. Fast 60 Prozent der Stimmberechtigten haben die Unternehmenssteuerreform bachab geschickt und damit Nein gesagt zu den Privilegien von superreichen Aktionären und Konzernen. Am Tag der Arbeit sagen wir klar: Nicht das Kapital gehört gehätschelt, sondern die Arbeit. Wir wollen ein gerechtes Steuersystem, das Kapital statt Arbeit besteuert. Dafür gehören Dividenden endlich höher besteuert. Und genau das werden wir nach unserem Sieg bei der Unternehmenssteuerreform durchsetzen. Den Geld arbeitet nicht. Aber wir schon. Damit sich Arbeit wieder lohnt, lancieren die Juso dieses Jahr eine Initiative, die genau hier ansetzt: Arbeit soll steuerlich entlastet werden, Kapitaleinkommen sollen stärker belastet werden. So wird gerechte Steuerpolitik gemacht. So steuern wir unsere Gesellschaft in eine gerechtere Zukunft.
Eine sozialere Zukunft für alle heisst aber auch, dass wir die Geschicke der Wirtschaft endlich aus den Händen von ein paar wenigen in die Hände von uns allen legen müssen. In Zeiten, in denen sich die Arbeitswelt massiv verändert ist der Ruf nach mehr Demokratie in der Wirtschaft so wichtig wie nie. Die Wirtschaft, und damit unserer Zukunft, darf nicht von ein paar wenigen dirigiert werden. Wir brauchen endlich auch in der Schweiz mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten in den Unternehmen, mehr Beteiligung am Gewinn von denen, die Leistung erwirtschaften anstatt unverschämte Boni und Dividenausschüttungen für diejengen, die misswirtschaften. Und wir brauchen mehr gemeinsames Eigentum über Genossenschaften und einen demokratischen Service Public. Wenn wirtschaftliche Leistungen und Gewinn allen statt nur ein paar wenigen zu Gute kommen, sind die Perspektiven gerechter verteilt.
Der Service Public ist aber stattdessen immer mehr unter Druck. Dass die Kernaufgaben des Staates in öffentliche Hände und nicht in private Hände gehören, sollte eigentlich klar sein. Leistungen wie Bildung, öffentlicher Verkehr, öffentliche Sicherheit, Strom- und Wasserversorgung, grundlegende Kommunikation und Information und eben auch Gesundheit stehen nicht zum Verkauf und sind kein Feld für die Profitmaximierung. Der Kanton Zürich stimmt am 21. Mai über die Privatisierung des Kantonsspitals Winterthur ab und ich hoffe sehr, dass die rechten Privatisierer dann eine deutliche Niederlage einfahren! Welches Denken hinter dieser Privatisierungslogik steht, hat der Spital-Direktor von Winterthur geradezu exemplarisch in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger entlarvt. Man will die Demokratie aushebeln, Entscheide an Volksmehrheiten vorbeischmuggeln und zum Schluss den Gewinn privatisieren. Doch unsere öffentliche Gesundheitsversorgung darf nicht zum Spielball von Finanzjongleuren werden, wir lassen unsere Gesundheit nicht verkaufen. Darum ein klares Nein zur Spitalausverkaufsvorlage.
Die Schweiz hat eine lange Tradition des Service Public, des öffentlichen Eigentums an wirtschaftlichen Bereichen mit Schlüsselfunktion. Und das ist eine Erfolgsgeschichte. Ohne öffentliche Volksschule wäre die Schweiz wirtschaftlich, demokratisch, kulturell und sozial niemals da, wo wir sind. Ohne SBB und SRG würde in der viersprachigen Schweiz der Zusammenhalt niemals so gut funktionieren, wie er das heute trotz aller Herausforderungen tut. Der Service Public hat den Grundgedanken einer sozialen und gerechten Zukunft für alle in seiner DNA. Was allen gehört, kommt allen zu Gute und zwar so, dass alle eine Chance haben, sich zu entwickeln. Und deshalb rufen wir am Tag der Arbeit all denen, die auch 40 Jahre nach Beginn des gescheiterten neoliberalen Experiments immer noch auf Deregulierung und Privatisierung setzen zu: Wir wollen nicht weniger, wir wollen mehr Service Public! Weil er im Gegensatz zu eurer gescheiterten Ideologie funktioniert für die Menschen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe 1. Mai-Feiernde,
Eine soziale Zukunft für alle heisst auch ein würdiges Leben im Alter. „Das Wohl des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen“, heisst es in unserer Bundesverfassung. Und trotzdem sind Altersarmut – insbesondere bei den Frauen – heute weit verbreitet. Ein Viertel aller RentnerInnen ist armutsgefährdet. In diesem Jahr steht uns eine historische Auseinandersetzung um die Altersvorsorge bevor. Im Parlament haben wir sie bereits geführt und mit dem denkbar knappsten Ergebnis zu unseren Gunsten entschieden. Jetzt wollen rechte Kräfte um SVP, FDP und die Wirtschaftsverbände den Renten-Kompromiss bodigen und der AHV massiven Schaden zufügen. Und dafür haben sie gute Gründe. Die Altersvorsorge 2020 ist zwar ein Kompromiss, aber er ist ein guter Kompromiss für die tiefen und mittleren Einkommen und trotz allem auch für die Frauen. Der Grund ist einfach: Zum ersten Mal seit fast 40 Jahren wird die AHV gestärkt und die AHV-Renten effektiv erhöht. Die AHV als sozialstes und zukunftsfähigstes Sozialwerk schafft, was Pensionskassen und 3. Säule niemals können: Höhere Renten für alle mit Geld von denen zu finanzieren, die genug haben. Die Stärkung der AHV führt dazu, dass die Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, aber kaum eine Pensionskasse haben – immerhin 500’000 Frauen in der Schweiz – neu mehr Geld im Sack haben. Und sie führt dazu, dass wir das Gewicht weg von den Finanzmärkten hin zur soliden Umlagefinanzierung verlagern.
Mit der Erhöhung des Rentenalters müssen wir wohl einen schwierigen Schritt tun. Das ist hart, gerade weil es ältere Arbeitnehmende im Arbeitsmarkt nicht einfach haben und wir weit von der Lohngleichheit entfernt sind. Das möchte ich nicht bestreiten und es ist zentral, dass wir mit aller Deutlichkeit sagen: Gleichberechtigung ist keine Einbahnstrasse. Jetzt sind wir Frauen dran. Aber trotz des höheren Rentenalters profitieren wir Frauen unter dem Strich von der Reform: Dank höheren Renten für alle ohne Pensionskasse und dank einer besseren Sicherung von Teilzeitarbeit. Zudem können die Hälfte aller Frauen, die mit den tiefen Einkommen, oft die in den anstrengendsten Berufen, auch in Zukunft ohne Abschläge mit 64 in Rente, eine Pensionierung mit 62 bringt gegenüber heute sogar eine deutlich höhere Rentenleistung.
Die Altersreform 2020 bringt für ältere Arbeitnehmende aber auch wichtige Verbesserungen, weil man auch im Falle von Arbeitslosigkeit in der Pensionskasse bleiben kann.
Diese Rentenreform, über die wir im Herbst abstimmen, macht unsere Altersvorsorge zukunftsfähig und stärkt die AHV. Genau deshalb will die Rechte sie um jeden Preis verhindern. Eine sozialere und gerechtere Zukunft für alle ist nicht in ihrem Interesse. Sondern Profite für ein paar wenige. Und deshalb rufe ich euch alle dazu auf gemeinsam für ein Ja zur Altersvorsorge 2020 zu kämpfen.
Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Anwesende, eine gerechtere und sozialere Zukunft für alle ist möglich, mehr noch, sie ist bitter nötig. Die Geschichte des 1. Mais zeigt uns, dass wir gemeinsam viel erreichen können. Aber dass auch noch viel zu tun bleibt. Die Zukunft, die wir uns wünschen, wird uns nicht geschenkt werden. Wie im von Mani Matter besungenen Kinderspiel, in dem Babettli aufs Taburettli steigt und herunterstampft auf Hansjakobli, der darunter sitzt. Aber anstatt dieses Gestampfe zu tolerieren, ruft er „Heyhey Frau Meyer“ – und kommt unter dem Schemel hervor. Beherzigen wir die Botschaft von Mani Matter, dem 1. Mai und unsere Erfahrung: Seien wir laut und wehren wir uns für unsere Zukunft. Für eine sozialere und gerechtere Zukunft für alle!
Ich wünsche uns allen weiterhin einen gelungenen und kämpferischen 1. Mai!
Die Rede wurde am 1. Mai 2017 in Winterthur gehalten.