Frei erfundene «Energieinfos» der SVP

«Energieinfo» heisst die neuste SVP-Broschüre, die über Ostern in jeden Haushalt geflattert ist. Mit Information hat die allerdings nichts zu tun. Was die Autoren darin zusammenphantasieren, um die Bevölkerung gegen die Energiestrategie 2050 aufzuhetzen, ist schwindelerregend. Eine Richtigstellung ist angesagt.

«3200 Franken mehr bezahlen…»

Diese abenteuerlichen Mehrkosten leitet die SVP aus dem Energiesparziel der Energiestrategie ab. Tatsache ist, dass ein durchschnittlicher Schweizer Haushalt rund 1400 Franken weniger Energiekosten hat, wenn der Energieverbrauch um 43 Prozent sinkt, wie es dem Ziel entspricht. Die einzige Verteuerung, die das neue Energiegesetz festhält, ist ein Strompreisaufschlag zur Förderung von neuen Solar-, Wind- und Wasserkraftwerken. Diese Strompreiserhöhung um gerade mal 4 Prozent kostet einen Haushalt im Durchschnitt 40 Franken pro Jahr.

«…und erst noch kalt duschen»

Die Energiestrategie macht die Schweizer Strom- und Energieversorgung sicherer. Bei einem Nein hingegen wird die Stromproduktion aus erneuerbaren Energiequellen nicht gefördert. Die Schweiz kann ihre uralten AKWs dereinst nicht ersetzen und braucht dann mehr Importe. Ich empfehle warm duschen mit der Energiestrategie 2050 statt kalt duschen mit der SVP.

«…sich massiv einschränken»

«Staubsaugen nur noch bei Sonnenschein? Staatlich verordnete Heizgrenze, Fussballspiel abgesagt…» Auch das sind dreiste Lügen. Das neue Gesetz schafft weder für Haushalte noch für Firmen neue Vorschriften. Niemand wird in seinem Konsum eingeschränkt. Der Bundesrat erhält keine neuen Kompetenzen. Die Gesetzesrevision bringt hingegen Anreize und Steuererleichterungen für Leute, die ihr Gebäude sanieren oder Solarstrom produzieren wollen.

«Zurück in die Steinzeit»

Weil 43 Prozent Einsparung dem Energieverbrauch von 1966 entspricht, müssen wir das Rad soweit zurückdrehen, behauptet die SVP und datiert damit die Steinzeit ins Jahr 1966. Die SVP hat seither offenbar geschlafen, denn Energieeffizienz ist längst Gegenwart. In den 1960er Jahren verbrauchte ein durchschnittlicher Neubau über 20 Liter Heizöl pro Quadratmeter. Heute sind es fünf mal weniger. 2008 wurde das erste Einfamilienhaus gebaut, das mit Erdwärme und Sonnenstrom doppelt soviel Energie produziert, wie eine durchschnittliche Familie verbraucht. Und seit einem Jahr steht in Brütten (ZH) sogar das erste energieautarke Mehrfamilienhaus. Es funktioniert ohne Gasleitung, ohne Öltank, ohne Anschluss ans öffentliche Stromnetz und die Bewohner haben mehr Komfort als in jeder 1960er-Jahre-Wohnung. Die Gebäudetechnik hat sich so gut entwickelt, dass der Verbrauch an fossilen Brennstoffen in der Schweiz seit 1990 trotz Bevölkerungswachstum um ein Viertel gesunken ist. Das Einsparziel ist also durchaus realistisch.

«Autofahrer werden zur Kasse gebeten»

Auch das ist frei erfunden. Die vorliegende Reform tangiert den Benzinpreis überhaupt nicht. Autofahrer profitieren hingegen von den neuen Effizienzstandards der EU, die auch in der Schweiz erhöht werden sollen. Die Importeure müssen dann deutlich sparsamere Fahrzeuge auf den Markt bringen. Ein durchschnittlicher Neuwagenfahrer spart so Benzin für rund 300 Franken jährlich. Bei einem Nein hingegen werden die Autoimporteure die Schweiz mit Benzinschluckern fluten, die sie in der EU nicht mehr verkaufen dürfen.

«Bauern sagen Nein zum Energiegesetz»

Der Schweizer Bauernverband hat mit 63 zu 4 Stimmen die JA-Parole beschlossen. Kein Wunder. Dank dieser Revision können viele Bauern mit Solardächern oder Biomasse-Anlagen neue Einkommensquellen erschliessen und zur Energiewende beitragen.

«Kostenfalle für Hausbesitzer und Mieter»

Der Mieterverband kommt zu einem anderen Schluss: «Aus Mietersicht gibt es keinen Grund, die Vorlage abzulehnen». Er beschloss die JA-Parole.

«1000 neue Windkraftwerke verschandeln die Landschaft und töten Vögel»

Die Zahl von 1000 Windkraftwerken kommt im Gesetzestext, über den wir abstimmen, nicht vor. Die Umwelt- und Naturschutzverbände sagen JA zur Energiestrategie. Auch die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz. Unter anderen auch deshalb, weil dieses Gesetz eine Verbesserung für den Naturschutz bringt. Es wird klar geregelt, dass in Biotopen von nationaler Bedeutung keine Kraftwerke gebaut werden dürfen.

«Deutsche Energiewende ist ein ‹Desaster›»

Die Energiestrategie 2050, über die wir abstimmen, hat zwar nichts mit der deutschen Energiepolitik zu tun, aber die Aussage ist trotzdem falsch. Die Energiewende hat in Deutschland Zehntausende von Jobs geschaffen. Laut dem Umwelt Bundesamt ist der CO2-Ausstoss pro erzeugter Stromeinheit seit 1990 um rund 15 Prozent gesunken. Der Anteil erneuerbarer Energie wurde von 3 auf 30 Prozent gesteigert und acht Atomkraftwerke wurden abgestellt. Bei der Versorgungssicherheit melden die Analysten Planübererfüllung und in den Industriesektoren mit hohem Stromverbrauch wurden 45‘000 Arbeitsplätze neu geschaffen.

Beat Jans, Nationalrat Basel

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