Schaffhauser Alterspolitik und Zürcher Generationenwohnen

Die zweite Parteiversammlung des Jahres widmet die SP-Stadt der Alterspolitik. Stadtrat Simon Stocker bietet in einem Referat Einblicke in die Altersstrategie der Stadt Schaffhausen. Von ihren Erfahrungen aus dem Alltag einer Generationen-Wohngemeinschaft in Zürich berichten Erika Gessler und Patrik Simmler.

von Christian Ulmer

Die Gemeinschaftsräume im Parterre des Altersheims La Résidence sind verwaist an diesem windigen Februarabend. Es ist bald 19.30 Uhr und Tagesschauzeit. Die Bewohnerinnen und Bewohner der La Résidence haben sich in ihre privaten Zimmer in den oberen Stockwerken zurückgezogen. Bahn frei für die Genossinnen und Genossen der städtischen SP.

Rund 30 Personen folgten der Einladung zur zweiten Parteiversammlung des Jahres, um mehr über die Alters- und Wohnraumpolitik in der Stadt Schaffhausen zu erfahren. Auf dem Programm stand ein Referat von Stadtrat Simon Stocker, der in der Schaffhauser Exekutive unter anderem als Heimreferent amtet. Spannung versprach auch das angekündigte Gespräch zum Thema Zusammenleben in einer Generationen-Wohngemeinschaft. Als Gäste zu diesem Thema lud die SP den ehemaligen JUSO-Grossstadtrat Patrick Simmler sowie die Rentnerin Erika Gessler.

Lange keine Alternativen zum Altersheim

Nach einer kurzen Begrüssung durch die Präsidentin Monika Lacher startete Stadtrat Simon Stocker sein Referat zur Alterspolitik in der Stadt Schaffhausen. Als er 2013 als frisch gewählter Stadtrat sein Amt im Sozialreferat angetreten habe, sei ihm unter anderem vom Vorgänger das Altersleitbild von 1984 übergeben worden. Darin habe zum Beispiel der Leitsatz gestanden: „Der alte Mensch darf nicht verwaltet werden.“ Diese Aussage sei durchaus richtig und doch habe er schnell gemerkt, dass im Umgang mit „lebenserfahrenen Menschen“ eine andere, positivere Sprache nötig sei.

Zu Beginn seiner Amtszeit nahm Simon Stocker eine vertiefte Analyse der Alterspolitik in der Stadt Schaffhausen vor. Er stellte schnell fest, dass neben den Altersheimen keine anderen Wohnformen etabliert waren. Dies, so Stocker, sei der Grund, weshalb viele Menschen im Altersheim lebten, obwohl sie gar nicht oder nur sehr bedingt pflegebedürftig seien. Die Zahl dieser Personen liege in Schaffhausen statistisch 25 Prozent über dem schweizerischen Durchschnitt.

Politischer Vorstoss fordert ambulante Betreuungsangebote

Laut Stocker sei damit klar geworden, dass es Alternativen zum Leben im Altersheim brauche. Ein politischer Vorstoss der ehemaligen Grossstadträtin Lotti Winzeler hatte diese Einsicht zusätzlich befeuert. Winzeler hatte mehr ambulante Betreuungsangebote in den Quartieren gefordert. Da Stocker und der Gesamtstadtrat diesen Ball von Winzeler aufnahmen, waren bald Wohnprojekte umgesetzt, die es alten Menschen ermöglichten, bis in hohe Alter in den eigenen vier Wänden zu verbleiben.

In verschiedenen Stadtquartieren sind in den vergangenen Jahren medizinische Stützpunkte eingerichtet worden, wo niederschwellig ärztliche Hilfe angeboten wird. Organisationen wie die Spitex sorgen zudem für die ergänzende Versorgung vor zu Hause.

Altersheim Steig wird umgenutzt

Wenn man heute die Bewohnerstruktur in den Altersheimen anschaue, falle auf, dass dort sehr viele über 80-jährige und stark pflegebedürftige Menschen lebten, so Stocker. Aufgrund der demographischen Entwicklung, mit immer mehr älteren Menschen, sei es wichtig, verschiedene Wohnformen zu etablieren. Die Stadt ging unter Stockers Führung in die Offensive und entschied, das Altersheim Steig in Alterswohnungen umzuwandeln. Dieser Prozess sei fast abgeschlossen, stellte Stocker erfreut fest. Das neue Angebot stosse auf sehr viel Zustimmung.

Wichtig sei, laut Stocker, dass alte Menschen in ihren Wohnquartieren gut aufgehoben seien. Die Quartierarbeit unter seiner Federführung trägt diesem Punkt Rechnung. Quartierbegehungen mit Seniorinnen und Senioren lieferten nicht nur in baulicher Hinsicht wertvolle Hinweise, sondern förderten auch den Zusammenhalt und das Kennenlernen unter den betagten Menschen im Quartier, so Stocker.

Bald Alterswohnungen auf dem Wagenareal

Die aktuelle Alterspolitik führe zu altersmässig besser durchmischten Quartieren, meinte Stocker. Er erwähnte das Beispiel Wagenareal, wo bald schon eine Siedlung mit Alterswohnungen realisiert werde. Wichtig sei, dass in Zukunft viele weitere Wohnprojekte realisiert würden, welche altersdurchmischtes Wohnen förderten. Mit diesem Appell beendete Simon Stocker seine Ausführungen und leitete damit thematisch in den zweiten Teil des Abends über, welcher sich mit einer in Schaffhausen noch wenig etablierten Wohnform beschäftigte: der Generationen-Wohngemeinschaft.

Einblicke in eine altersdurchmischte Wohngemeinschaft

Paddy Portmann, Vizepräsident der SP Stadt, begrüsste Patrik Simmler und Erika Gessler. Der 26 Jahre junge Student und die 71-jährige Rentnerin wohnten während vier Jahren zusammen in einer altersdurchmischten Wohngemeinschaft. Insgesamt acht Personen teilten sich eine Wohnung im Kraftwerk1, einer genossenschaftlichen Wohnsiedlung in der Stadt Zürich.

Simmler und Gessler boten Einblicke ins alltägliche WG-Leben. So meinte Simmler, dass er vor allem beim Haushaltsgeld sparte, da man die Lebensmittel zusammen finanzierte. Jeden Abend habe ein anderes Mitglied der WG gekocht. Erika Gessler, welche ihr ganzes Leben in Wohngemeinschaften lebte hob den Solidaritätsgedanken hervor. So habe man einen 86-jährigen ehemaligen Mitbewohner, der einen Schlaganfall erlitten habe, zurück in die Wohngemeinschaft geholt und betreue ihn nun gemeinsam.

„Es menschelt zwischendurch“

Im allgemeinen so urteilten Simmler und Gessler unisono, funktioniere das Zusammenleben unter den verschiedenen Generationen sehr gut. „Natürlich menschelt es zwischendurch“ meinte Gessler und gab zu, dass es auch mal krache untereinander. Aber man finde immer schnell wieder zueinander und zu einem harmonischen Miteinander. Zum Schluss zitierte Erika Gessler aus den Statuten der Wohngenossenschaft Kraftwerk1, in der es heisse: „Die Vielfalt soll sich als Reichtum entfalten können.“ Mit diesen schon fast poetischen Worten endete der Abend und die Genossinnen und Genossen verliessen die La Résidence in die windige Nacht hinaus. 

 Bildlegende Foto: Patrik Simmler (links) und Erika Gessler stehen Paddy Portmann Red und Antwort.

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