Leserbrief zur 2. Gotthardröhre, Abst. Vom 28.2.2016 –
Ich halte es mit unserer Bundesrätin Doris Leuthard: „Beide Tunnels einspurig zu betreiben, das ist ein bisschen Seldwyla. Wir bauen ja kaum zwei Tunnels und lassen je eine Spur leer. Das ist scheinheilig, das wäre nicht sinnvoll investiertes Geld.“ Dies die Worte unserer Verkehrsministerin nur fünf Monate vor ihrer Kehrtwende. Damals sprach sie noch Klartext. Die Schweiz hat 23 Milliarden in die Neat investiert, damit die alpenquerenden Güter auf der Schiene transportiert werden. Noch vor der Eröffnung des Gotthardbasistunnels für die Bahn wird dieses Jahrhundertbauwerk bereits torpediert. Bezüglich Verlagerungspolitik ist die Schweiz vorbildlich und hat Europa damit den verkehrspolitischen Takt vorgegeben. Die Schweizer Bevölkerung trägt diese Verkehrspolitik. Schon zweimal hat sie einen zweiten Gotthardstrassentunnel abgelehnt. Mit der Alpeninitiative hat das Volk den verfassungsmässigen Auftrag erteilt, die Alpen zu schützen und den alpenquerenden Schwerverkehr zu beschränken.
Nun dient die Sanierung des alten Strassentunnels als Zwängerei für die zweite Röhre mit fadenscheinigen Argumenten. Die Investition von rund 3 Milliarden Franken wird mit dem Sicherheitsgewinn gerechtfertigt. Dazu muss man wissen: Bei einer zweiten Röhre ist mit einer Verdoppelung der Lastwagenzahl zu rechnen. Diese Lastwagen aber fahren nicht nur durch den Gotthard, sondern weit darüber hinaus, hin und her, von Nord nach Süd und umgekehrt. Zwischen 1992 und 2012 sind im Gotthard 91 Prozent der Personen bei Unfällen mit Lastwagen gestorben. Nur schon eine Beschränkung der Geschwindigkeit im Tunnel auf 60 km/h würde viel Leid ersparen! Die Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) hat berechnet, dass 3 Prozent mehr Verkehr am Gotthard zusätzliche Unfälle ausserhalb des Tunnels bedeuten. Der Mehrverkehr wird somit den Sicherheitsgewinn im Tunnel anderswo zunichtemachen. Wer tatsächlich Sicherheit will, verlagert den Schwerverkehr auf die Schiene!
Unsere wirklichen Verkehrsprobleme entstehen in den Agglomerationen. Dort werden uns die 3 Milliarden für dringliche Sanierungen fehlen. Täglich passieren 144‘000 Fahrzeuge den Gubristtunnel. Im Gotthardtunnel sind es „nur“ ein Achtel davon oder durchschnittlich 17‘000 Fahrzeuge. Setzen wir das Geld dort ein, wo die Pendlerinnen und Pendler tagtäglich im Stau stehen und wo die Wohnbevölkerung unter dem Lärm leidet. Sorgen wir dafür, dass die fortschrittliche Verkehrspolitik der Schweiz mit der Neat Früchte tragen kann. Für eine nachhaltige und umweltfreundliche Verkehrspolitik: ein Nein zur 2. Gotthardröhre.