Hallau, 14. Dezember 2014, Martina Munz, Nationalrätin www.martinamunz.ch 1/2
Nationalrat, Wintersession 2014 Martina Munz
So erfolgreich wie in dieser Wintersession läuft es für die SP nur selten! Die Energiewende ist eingeleitet. In der 23-stündigen Energiedebatte hat sich eine solide Mitte-Links-Allianz durchgesetzt. Und ausserdem: Die SP präsidiert neu die drei wichtigsten Institutionen. Simonetta Sommaruga als Bundespräsidentin, Stéphane Rossini als Nationalrats- und Claude Hêche als Ständeratspräsident können im Wahljahr 2015 als Persönlichkeiten un-serer Partei an wichtigen Anlässen auftreten für eine soziale und offene Schweiz. Stéphane Rossini seinerseits konnte schon wenige Augenblicke nach seiner Wahl den Stichentscheid zugunsten von mehr Geld für eine bessere Familienpolitik fällen.
Mit Raubkunst handeln und gleichzeitig Geld waschen!
Bei Bargeldzahlungen ab 100‘000 Franken muss jetzt endlich die Herkunft dieser Gelder geprüft werden. Das ist immer noch eine zu hohe Limite, musste aber auch so noch hart durchgeboxt werden gegen eine grosse Gegnerschaft. Die gleichen Leute sind zwar islam-kritisch, wollten den Handel von Raubkunst aus Syrien aber dennoch nicht unterbinden, obschon sich IS-Kämpfer mit diesem Geld den Krieg finanzieren lassen. Für mehr Profit werden also auch im Geschäft mit den Gotteskriegern beide Augen zugedrückt. Das nennt sich Doppelmoral!
1:0 für den Service Public im Kampf gegen Nestlé!
Nächsten Frühling wird die Expo 2015 in Mailand eröffnet. Das Schweizer Projekt umfasst vier Türme, gefüllt mit Lebensmitteln: Salz, Apfelringli, Kaffee und Wasser. Bis vor drei Monaten war vorgesehen, im Wasserturm dem Nestlé-Konzern mit eigenem Flaschen-Was-ser eine riesige Werbeplattform zu geben. Gegen diese Idee habe ich im Hintergrund per-sönlich und erfolgreich interveniert. Mit gutem Grund, denn Nestlé kauft weltweit Wasser-rechte, füllt Trinkwasser in Flaschen ab und entzieht damit armen Völkern den Zugang zu sauberem Trinkwasser. Der Konzern steht damit ein für die Privatisierung und Kommerzi-alisierung von Wasser. Meine Hartnäckigkeit hat sich gelohnt: An der Expo 2015 wird jetzt das Modell Schweiz präsentiert: Qualitativ gutes Trinkwasser im Becher, als öffentliches Gut und als Teil des Service Public.
Menschenrechte sind nicht verhandelbar
Am 40. Jahrestag der Ratifikation der Menschenrechtskonvention (EMRK) durch die Schweiz lobte der Präsident des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Dean Spielmann, im Nationalrat die Rolle der Schweiz für die Menschenrechte. Verschmitzt meinte er abschliessend, er sei nicht als fremder Richter zu uns gekommen, sondern als langjähriger Freund, wohlwissend, dass die SVP mit einer Volksinitiative «Landesrecht vor Völkerrecht» liebäugelt. Nur zögerlich und ungern mochten sich die Hardliner der SVP von ihren Sitzen erheben, um zu applaudieren. Warum nur will die SVP unsere humanitäre Tradition infrage stellen? Die EMRK ist die Grundlage der Demokratie, nicht umgekehrt. Sie sichert auch in der Schweiz die Grundrechte. Teil davon ist, was uns zusammenhält: der Respekt vor der Minderheit.
Bauer-Play oder sparen à la bürgerlich
Der Bund muss auch sparen. Von bürgerlicher Seite wurden gar Querschnittskürzungen von rund fünf Prozent verlangt. Bei den Direktzahlungen an die Landwirtschaft aber lautet das Resultat plus 84 Millionen Franken. Das Gejammer der Bauern war gross, man habe ihnen dieses Geld versprochen. Auch das sogenannte Schoggigesetz wurde aufgestockt. Eine Subvention, die vor allem Nestlé zugutekommt, damit sie für ihre Produkte einhei-mische Rohstoffe einkauft. Cédric Wermuth fragte in der Debatte, ob eine Firma wie Nestlé mit 4.6 Milliarden Reingewinn subventionsbedürftig sei. Sogar die NZZ titelte: „Bürgerliche auf Abwegen“. Schäbig war die Idee, die Aufstockung in der Landwirtschaft zulasten der Entwicklungshilfe vornehmen zu wollen. Das konnte glücklicherweise verhindert werden. Sparen tut eben nur weh, wenn es einen selber betrifft!
Überschuldung durch verfängliche Konsumkredite
Leicht zugängliches Geld ist meist der Beginn lebenslanger Überschuldung. Die Kosten trägt oft der Staat, da Steuerschulden in der Prioritätenliste der Säumigen an letzter Stelle stehen. Die Regeln für Konsumkredite sollten endlich verschärft werden. Bei der aggressi-ven Werbung setze das Parlament auf Selbstregulierung der Branche – ein frommer Wunsch! „Unnötig – übertrieben – überreguliert“, war der Tenor. Wenn es um das Geschäf-temachen geht, kennt das Parlament mehrheitlich kein Pardon. Mit nur zwei Stimmen Dif-ferenz konnten wenigstens die Expresskredite dem Konsumkreditgesetz unterstellt wer-den, eine besonders aggressive Art der Kreditvergabe.
Schutz der Bevölkerung vor Schutz der AKW-Betreiber
Was nützen Stresstests bei AKW, wenn die Gefahren verniedlicht werden dürfen? Mit einer Anfrage an den Bundesrat wollte ich wissen, ob die Stressoren bei nuklearen Anlagen si-tuativ nach unten korrigiert werden dürfen. Der Bundesrat antwortete tatsächlich, „dass dies im Einzelfall geprüft werden müsse“ – eine skandalöse Antwort! Unglaublich, wenn eine Anlage – je nach Interpretation – statt dem Absturz eines Airbus nur einem Absturz einer leichten Cessna standhalten müsste. Nach einer Intervention beim Bundesamt für Energie (BFE) wurde die Sache derart brisant, dass sich dessen Direktor aus einer Wiener-Konferenz bei mir persönlich für diese Antwort entschuldigte. Das Ganze deutet auf zwei grosse Mängel hin. Das ENSI (als Beratungsorgan des BFE) stellt mit dieser Aussage den Schutz der AKW-Betreiber deutlich vor den Schutz der Bevölkerung. Weiter zeigt sich, dass das BFE als Bewilligungsbehörde zu wenig unabhängig ist, um das ENSI zu kontrollieren. Beides könnte fatale Folgen für die Bevölkerung haben. Ich bleibe dran.
Familienplanung mit „Social Egg Freezing“
Eltern mit Fruchtbarkeitsproblemen können heute die IVF (In-Vitro-Fertilisation) zur Ent-wicklung von Embryonen ausserhalb des Mutterleibes in Anspruch nehmen. Der Bundesrat wollte die rechtlichen Voraussetzungen soweit ändern, dass generell Embryonen von Eltern mit schweren Erbkrankheiten auf diese Krankheit über die PID (Präimplantationsdiagnos-tik) getestet werden können. Nun wurde das Gesetz aber leider weit geöffnet oder libera-lisiert. Alle im Reagenzglas gezeugten Embryonen dürfen nun untersucht und gezielt se-lektioniert werden. Man nennt dies „Screening“. Behindertenverbände laufen zurecht Sturm dagegen, dass bereits im Reagenzglas zwischen lebenswertem und nicht lebenswer-tem Leben entschieden wird. Das Ganze ist ein grosses Geschäft, auf das in der Schweiz 28 Kliniken warten. Frauen wird neustens das „Social Egg Freezing“ empfohlen: Eizellen einfrieren, Karriere machen, Eizellen auftauen, Embryo einpflanzen. Wir sind mit der Fa-milienplanung im 21. Jahrhundert angekommen! Die SP war in dieser Frage gespalten. Entscheiden wird das Volk an der Urne.
Energiewende ist nicht mehr aufzuhalten
Wir haben erstaunlich viel und doch zu wenig erreicht. Die sorgfältige Kommissionsarbeit hat Früchte getragen! Der Atomausstieg kommt, leider weiss noch keiner wann. Wir hätten die Abschalttermine lieber nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Was zur Energiedebatte in den Medien weniger zum Ausdruck kam: Bundesrätin Leuthard kämpfte scharmant, scharfzüngig aber auch hemdsärmelig. Dabei entlarvte sie beispielsweise jene Bürgerlichen, die zusätzlich noch Entschädigungen für Biogasanlagen forderten: „Sie sind generell gegen Honigtöpfe, wollen diese dann aber trotzdem anreichern“ und, als wieder einmal die Stromlücke heraufbeschworen wurde, „Hören Sie doch auf mit diesen Märchen. Kümmern Sie sich um die richtigen Zahlen“ oder „Sie sind ein netter Kerl, aber mit Nettsein kommen wir nicht weiter.“ Als es um die Energiesparmassnahmen bei Gebäuden ging, führte Jacqueline Badran die Profiteure regelrecht vor: „Sie wollen die gleiche Leistung vier Mal vergolden, sie wollen den Fünfer, das Weggli, das Schoggistängeli und den Verkäufer dazu“. Die Ewiggestrigen stemmen sich zwar gegen die Energiewende, halten aber gerne die hohle Hand hin, wenn es etwas zu holen gilt.
Erholsame Festtage und e guets Neus!