Millionärserben zulasten der Steuerzahlenden entlastet

MEDIENMITTEILUNG
Schaffhausen, 11.11.2014

Stellungnahme der SP-/Juso-Fraktion zum Entscheid des Kantonsrats zur am 10.11.2014 verabschiedeten Revision des Einführungsgesetzes zum ZGB (Erbschaftswesen)

Millionärserben zulasten der Steuerzahlenden entlastet

Über die Frage der Lockerung der obligatorischen Inventarpflicht in Erbschaftsfällen gingen die Meinungen im Kantonsrat auseinander, quer durch alle Fraktionen. Weshalb soll man den Erben ein Inventar aufzwingen, wenn sie meinen, dies gar nicht zu benötigen? Darüber kann man ja noch diskutieren. Doch hat der bürgerlich dominierte Kantonsrat für Otto Normalverbraucher, der beim Erbgang nicht übertölpelt werden will, eine ungünstige Lösung gewählt: Anstatt, wie von der SP vorgeschlagen, vorzusehen, dass alle Erben gemeinsam verlangen müssen, dass kein Inventar erstellt wird, muss sich nun ein Mitglied einer Erbengemeinschaft, allenfalls gegen den Willen aller anderen Erben, mit einer schriftlichen Eingabe an die Erbschaftsbehörde die Erstellung eines Inventars verlangen. Das ist nicht besonders bürgerfreundlich. Negativ zu bewerten ist auch die neue Gebührenregelung, mit der Millionenerben entlastet werden. Es wird deswegen zu finanziellen Ausfällen bei den Gemeinden und beim Kanton kommen.

In wie vielen Fällen auf ein amtliches Inventar verzichten wird, ist ungewiss. Der Regierungsrat glaubt, dass drei Viertel wegfallen werden. Das ist eine reine durch nichts belegte Vermutung. Dasselbe gilt für die dadurch bewirkte Reduktion des Personalaufwands bei den Gemeinden, welche die Regierung bei ca. 40 % ansiedelt. Das wird von den Praktikern an der Front stark bezweifelt, denn es ist absehbar, dass ein Inventar gerade bei schwierigen und umstrittenen Fällen, welche den Erbschaftsämtern den grössten Aufwand verursachen, weiterhin verlangt wird.

Der Regierungsrat verweist zu Recht darauf, dass durch die Abschaffung des obligatorischen Inventars ein wesentlicher Teil der Einnahmen, mit denen die Gemeinden ihren Aufwand im Erbschaftswesen decken konnten, wegfallen wird. Als Kompensation hat er eine neue Gebühr für die Erbenermittlung vorgeschlagen. Die bürgerlichen Vertreter im Kantonsrat haben diese Kompensation nun aber drastisch reduziert. Ab einem inventarisierten Vermögen von 2 Millionen Franken darf die Gebühr nach der neuen Regelung nicht mehr als 2‘000 Franken betragen. Als Begründung wird geltend gemacht, die Erbenermittlung sei ja in 90 Prozent der Fälle einfach. Doch auch da werden die Realitäten verkannt: Nicht selten liegen – vor allem in grösseren Gemeinden mit hohem Ausländeranteil – Erbschaftsfälle mit komplizierten Sozialstrukturen wie Patchwork-Familien vor, was die Erbenermittlung sehr aufwändig machen kann.

Mit der nun vom Kantonsrat beschlossenen Gebührenregelung käme es zu einer spürbaren Entlastung der Erben von Millionennachlässen auf Kosten der Gemeinden sowie des Kantons und damit zu Lasten der Steuerzahlenden. Es ist unverständlich, wie man so etwas beschliessen kann bei einem Fehlbetrag von ca. 40 Millionen in der Kantonskasse, was überwiegend durch einen schmerzhaften Leistungsabbau sowie Steuererhöhungen ausglichen werden soll. Es ist auch absehbar, dass mit der neuen Regelung die Erbschaftsämter der Gemeinden zu unentgeltlichen Rechtsberatungsstellen mutieren. Die Erben werden aus Kostengründen auf ein amtliches Inventar verzichten und nachher, bei Unklarheiten und Problemen, trotzdem wieder Rat bei den Erbschaftsämtern einholen und teure Prozess führen, welche die Gerichte beschäf- tigen.

Schliesslich hat eine Mehrheit im Kantonsrat eine flexible Regelung zur Qualitätssicherung der amtlichen Dienstleistungen im Erbschaftswesen, wie sie vom Regierungsrat vorgeschlagen wurde, abgelehnt. Darin wäre, mit Ausnahmen für erfahrene oder entsprechend ausgebildete Erbschaftsbeamte vorgeschrieben worden, dass ein solches Amt nur von einer Person mit einem Mindestpensum von 40 Prozent geführt werden darf, um genügend Routine in diesem schwierigen Rechtsgebiet aufbauen und erhalten zu können. Oder würden Sie sich ein künstliches Kniegelenk von einem Arzt einsetzen lassen, der dies nur ein- bis zweimal pro Jahr macht?

Aus all diesen Gründen hat die SP-/Juso-Fraktion diese Vorlage abgelehnt und wird sie in der Volksabstimmung bekämpfen.

Für die SP-/Juso-Fraktion im Kantonsrat: Peter Neukomm, Matthias Freivogel
Millionaerssteuer

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