Von Daniel Borer, Dr. med. Facharzt Anästhesiologie FMH, Leitender Arzt , Kantonsspital Winterthur – Die über die Grundversicherung (KVG) abgegoltenen Gesundheitsdienstleistungen sind seit 1996 durch den Bund staatlich streng definiert. Das bedeutet, dass die im KVG angebotenen Leistungen von allen Krankenkassen abgegolten werden müssen. Handlungsspielraum gibt es, das ist Gesetz, keinen. Als 1996 das KVG eingeführt wurde, hoffte die Politik durch die Zulassung mehrerer Krankenkassen (KK) auf die Entwicklung einer Wettbewerbssituation, die zur Stabilisierung der stetig steigenden KK-Prämien hätte führen sollen.
Was ist seither geschehen? Die Ausgaben im Gesundheitswesen und damit die KK-Prämien sind weiter gestiegen. Dieser Trend ist ungebrochen! Das erhoffte Ziel einer Verlangsamung des Prämienanstieges konnte somit mit dieser Art Wettbewerb unter den Kassen nicht erreicht werden. Das einzige Resultat be- steht darin, dass die Zahl der Krankenkassen von anfänglich 145 auf 61 gesun- ken ist.
Die Kassen jagen mit Marketingkosten von jährlich 225 Millionen Franken nach guten Risiken, um ihre Position im Markt zu verbessern. Weiter lassen sie sich die immer wiederkehrenden Kassenwechsel in der Grundversicherung jährlich mit 100 Millionen Franken durch uns Prämienzahler bezahlen. Natürlich sollte dieses Geld gescheiter dem eigentlichen Zweck dieser Grundversicherung, nämlich der Behandlung von Krankheiten zufliessen, finanziert aber stattdessen einen völlig unnötigen Verwaltungsapparat.
In einem System, wie dem des KVG, vom freien Markt mit Wettbewerb zu sprechen, negiert die Tatsache, dass es sich bei der Gesundheit um ein Gut handelt, das nicht den Kräften Angebot und Nachfrage folgen kann, da es aufgrund seiner fundamentalen Wichtigkeit grundsätzlich nicht mit Geld abzugelten ist. Bei der Gesundheit handelt es sich um eine für die Volkswirtschaft essentielle Grösse, die aus gutem Grund von Gesetzes wegen im KVG geregelt ist.
Alle Gesundheitsdienstleistungen, die über die Grundleistungen des KVG hinaus gehen, sind richtigerweise dem freien Markt unterstellt und über Zusatzversi- cherungen gemäss VVG erwerbbar. Die Einheitskasse wird an diesem guten Mo- dell des VVG nichts ändern sondern bezieht sich nur auf die Leistungen des KVG.
Die Gegnerschaft der Einheitskasse argumentiert, der Wettbewerb unter den 61 Kassen führe zu „tendenziell“ tieferen Prämien. Offensichtlich wird vergessen, dass der sogenannte Wettbewerb nur dazu geführt hat, dass zwischen den Kassen ein unschöner Kampf um die gesunden Patienten geführt wird. Deshalb musste durch den Bund ein System zum Risikoausgleich zwischen den Kassen nach Alter, Geschlecht sowie Hospitalisationen im Vorjahr in administrativ aufwendigster und bisher zur Problemlösung ungenügender Form geschaffen werden. Gemäss einer Studie von Busato und Baumgartner, veröffentlicht 2011 in der schweizerischen Ärztezeitung, haben ältere und kranke Personen Mühe, zu Offerten der billigeren Krankenkassen zu kommen. Wes- halb wohl? Machen Sie den Test: Versuchen Sie einmal, Ihre chronisch kranken oder älteren Angehörigen in der Grundversicherung (KVG) einer billigen Krankenkasse zu platzieren. Sie werden überrascht sein, und dies bei einer Leistung, die für alle Einwohner des Landes unabhängig von Alter, Krankheit und Geschlecht an- geboten werden muss!
Aktuell beziehen 40% der Einwohner der Schweiz keine Gesundheitsleistungen, 10% beziehen 70% aller Leistungen. Weil einer Kasse grundsätzlich nicht be- kannt ist, wer welche Leistungen beziehen wird, muss auch die kleinste Kasse aus versicherungsmathematischen Gründen grosse finanzielle Reserven halten, um im Krankheitsfall die Leistung erbringen zu können. Damit werden unnötig viele Mittel gebunden und führen zusammen mit der immer wiederkehrenden 61-fachen Aushandlung von Leistungstarifen, Risikoausgleich, Kassenwechsel und Marketing in allen 26 Kantonen zu einem Geldabfluss in die Verwaltung, der mit der eigentlichen medizinischen Leistung nichts, aber auch gar nichts, zu tun hat. Bei einem eigentlich erwarteten Effizienzgewinn von 1 bis 2% jährlich sind die Lohnkosten für die Verwaltung der Krankenkassen ganz untypisch (aber aufgrund genannter Gründe nicht ganz unerwartet) seit 1999 im Vergleich zum schweizerischen Lohnkostenindex überproportional angestiegen.
Nur eine Einheitskasse räumt mit diesem aufgeblähten Verwaltungsapparat für eine staatlich definierte und immer gleiche Gesundheitsleistung endgültig auf und schafft die nötige Handhabe, den durch unsere demographische Entwicklung anfallenden medizinischen Herausforderungen nach dem Prinzip WZW (Wirtschaftlichkeit, Zweckmässigkeit, Wirkung) gerecht zu werden. Dies durch eine die Geldgeber stärkende Struktur durch Einsitz von Bund, Kantonen und Leistungsempfängern auf der einen Seite gegenüber den leistungserbringenden Partnern auf der anderen Seite, wohlgemerkt im Stimmenverhältnis 3:1!
Als Arzt sehe ich deshalb angesichts der zu erwartenden Herausforderungen an das Gesundheitswesen keine Alternative zur Einführung einer Einheitskrankenkasse für die medizinischen Grundleistungen nach KVG.
1.9.2014; Daniel Borer, Dr. med. Facharzt Anästhesiologie FMH, Leitender Arzt , Kantonsspital Winterthur.