Von Martina Munz, Nationalrätin – In meiner zweiten Session fühle ich mich in Bern schon etwas besser angekommen. Die Abläufe sind mir nicht mehr fremd und das hilfsbereite Personal begrüsst mich bereits mit meinem Namen.
Die Wintersession verlangte von der SP viel Engagement, um der freien Markwirtschaft nicht alle unsere Ideale opfern zu müssen. Das Parlament tendiert zu restriktiveren Gesetzen, sobald es um die Freiheit der Menschen geht. Gleichzeitig werden die Schleusen für eine Marktliberalisierung weit geöffnet.
Mindestlöhne für eine Arbeit in Würde
Acht Stunden lang dauerte die Mindestlohndebatte. 70 RednerInnen ergriffen das Mikrofon, auch ich selber nutzte die Gelegenheit, um einige Argumente darzulegen. Die kämpferischen Stimmen unserer Fraktion waren alle überzeugend. Warum fordern wir von Drittweltländern existenzsichernde Löhne, verweigern diese aber unseren eigenen Arbeitskräften? In Schaffhausen zahlt unterdessen ein Drittel der Unternehmen keine Steuern mehr. Was nützen uns Unternehmen, wenn die Angestellten nach der Arbeit noch beim Sozialamt anklopfen müssen?
Interessanterweise stimmten gewisse Bürgerliche plötzlich ein Loblied auf die Gesamtarbeitsverträge. Ausgerechnet jene, die in den Verhandlungen vor kurzem diese Verträge noch vehement abgelehnt hatten. Unser viel gepriesenes Wirtschaftsmodell holt seine Lorbeeren mit den Sozialpartnerschaften, nicht mit Lohndumping. Arbeitslosigkeit herrscht in Ländern, wo die Arbeit nichts wert ist.
Geheimnis um „Grüsel-Beizen“
Zu Beginn der Session wurde das Lebensmittelgesetz revidiert. Die wichtige Forderung der Konsumentinnen und Konsumenten nach mehr Transparenz wurde nicht erfüllt. Die Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen von Restaurants bleiben somit weiterhin geheim. Eine verpasste Chance für mehr Qualität!
China-Handel: Geld macht blind
Seit Jahren sind die Menschenrechte fester Bestandteil in Freihandelsabkommen, denn ein fairer Wettbewerb braucht Spielregeln. Dem ist leider nicht so beim Freihandelsabkommen mit China. Die Schweiz stellt die ökonomischen Interessen über die Verpflichtungen für ihre Menschenrechtspolitik. China geht gnadenlos gegen Minderheiten und Oppositionelle vor und torpediert politische Lösungen für Brandherde wie Syrien. Das Abkommen mit China hat Modellcharakter, ist es doch das erste Freihandelsabkommen, das China mit einem westlichen Staat ab-schliesst. Gerade deshalb wäre ein deutliches Zeichen wichtig gewesen. Leider wurden die Anliegen der Tibeter und der Menschenrechtsorganisationen nicht eingebracht.
Die Schweizer Wirtschaft will vom wachsenden, schier unbegrenzten chinesischen Markt mit 1.3 Milliarden Konsumierenden profitieren. Ethische Ansprüche werden dabei unter den Tisch gewischt. Ganz ähnlich hat die Schweiz in den 80iger Jah-ren die Nähe zum Apartheitsregime in Südafrika aus wirtschaftlichen Gründen gepflegt. Ein Zustand, an den man rund um die Trauerfeier von Nelson Mandela nicht gerne erinnert werden möchte. Wir sollten mehr aus der Geschichte lernen! Leider ist es uns nicht gelungen, das Abkommen mit China dem fakultativen Re-ferendum zu unterstellen. Obwohl dies die SVP sonst immer fordert. Wer fürchtet sich vor dem Volk?
Vergangenheitsbewältigung für begangenes Unrecht
Endlich ist uns ein kleiner Schritt zur Wiedergutmachung gelungen. Bis in die 80iger Jahre wurden in der Schweiz Personen weggesperrt, ohne Gerichtsurteil. Häufiger Grund war ein liederlicher Lebenswandel. Gemeint waren damit vor allem ledige Mütter. Diese Personen erfahren jetzt Genugtuung, ihr Unrecht wir gesetzlich anerkannt, allerdings ohne Anspruch auf finanzielle Entschädigung.
Steilvorlage für die öffentliche Krankenkasse
Trotz jüngsten Skandalen bei den Krankenversicherungen, bleibt die Aufsicht über die Krankenkassen mangelhaft. Die Kassen können ungestraft zu hohe Prämien verlangen. Der Kanton Schaffhausen ist von dieser Willkür der Kassen besonders betroffen, werden wir doch zu hohen Nachzahlungen verpflichtet. Ein Gesetz sollte die Aufsicht verschärfen. Doch wie bei fast allen gesundheitspolitischen Anliegen sind die Erfolgsaussichten dafür klein, zu mächtig ist die Gesundheitslobby. Das abgelehnte Gesetz wird für die SP zum Steilpass für die Volksabstimmung über die öffentliche Krankenkasse.
Seilziehen beim Budget
Der Bundesrat hatte ein nahezu ausgeglichenes Budget präsentiert. Der Erhöhung des Verteidigungsbudgets auf 4.6 Milliarden wurde zugestimmt! Das gleiche Parlament konnte dennoch nicht davon ablassen, Pauschalkürzungen vorzuneh-men. Beim Personal konnten wir diese Kürzungen erfolgreich abwehren. Lange Diskussionen entbrannten um die Erhöhung der Subventionen beim sogenannten Schoggigesetz. Es ermöglicht die Subventionierung einheimischer Rohstoffe wie Milch und Getreide – eigentlich eine absurde Idee parallel zu den Verhandlungen der WTO in Bali zur Senkung der Zölle. Nach längerem Ping-Pong zwischen Nationalrat und Ständerat fiel diese Erhöhung um 8 Mio. Franken dann doch noch in der Schlussabstimmung durch. Allerdings wurde auch der Sachaufwand mit der Rasenmähermethode undifferenziert um 150 Millionen gekürzt. Bundesrätin Evelyne Widmer Schlumpf konnte nicht einmal auf die Unterstützung ihrer eigenen Partei zählen.
Von der Aussenpolitischen Kommission in die Rechtskommission
Alle zwei Jahre wird das Präsidium in den Kommissionen neu gewählt – mit entsprechenden Rochaden bei den Kommissionssitzen. Nach ersten Erfahrungen in der Aussenpolitischen Kommission mit den Themen „Freihandel mit China“ und „institutionelle Fragen zu Europa“, wechsle ich 2014 in die Rechtskommission. Hier erwartet mich ein gewaltiger Einarbeitungsaufwand für interessante, gesellschaftspolitische Themen wie Kindesunterhalt, Abzockerinitiative und Strafrecht.
Mein Highlight
Zusammen mit Bundesrat Alain Berset konnte ich die Extrafahrt im Salonwagen der SBB von Bern nach Schaffhausen zur Ständeratsfeier von Hannes Germann geniessen. Im intensiven, politischen Gespräch habe ich unseren SP Bundesrat als interessanten und witzigen Diskussionspartner kennen gelernt – eine spannende Begegnung.
Euch Allen wünsche ich ein helles Weihnachtsfest mit guten Gesprächen und viel Zeit für Musse. Es braucht uns alle, um auch im kommenden Jahr 2014 Brücken für die Schwächeren zu bauen.
15.12.2013, Martina Munz