Armee-Beschlüsse liegen völlig quer

Von Hans-Jürg Fehr , Nationalrat – Die Armee ist viel zu gross und viel zu teuer. Nun soll sie noch teurer werden und Kampfflugzeuge beschaffen, ohne dass das Volk darüber abstimmen kann.

Diese Woche im Nationalrat: In einer Sondersitzung der Wirtschaftskommission stimmt die Mehrheit dem Massnahmenpaket für frankengeschädigte Betriebe zu, die SVP lehnt es ab. Im Nationalrat stimmt sie zusammen mit FDP und CVP der Aufstockung des Armeebudgets um jährlich 600 Millionen Franken zu und befürwortet ein Verfahren, das nichts anderes bezweckt als das Stimmvolk vom Beschluss über den Kauf neuer Kampfflugzeuge auszuschliessen. So viel zu Theorie und Praxis einer Partei, die von sich behauptet, den KMU nahe zu stehen und nichts höher zu stellen als den Volkswillen.

Die Schweizer Armee kostet jährlich 4,4 Milliarden Franken. Das ist der bürgerlichen Mehrheit zu wenig; in Zukunft dürfen es fünf Milliarden sein. Mit dem jährlichen Zustupf von 600 Millionen sollen die Militärs unter anderem 22 Kampfflugzeuge kaufen. Das Geld muss im Rahmen des Budgets anderen, zivilen Bundesaufgaben abgezwackt werden; welchen, wurde wohlweislich verschwiegen. Mit diesem Verfahrenstrick wird eine Volksabstimmung über den Kauf neuer Kampfflugzeuge umgangen, eine Volksabstimmung, die die Aufrüster mit grosser Wahrscheinlichkeit verlieren würden.

Die Aufrüstungsbeschlüsse beider Räte liegen „völlig quer in der Landschaft“, kommentierte  Brigadier Hans-Ulrich Ernst, der frühere Generalsekretär des Militärdepartements zutreffend: „Unsere Armee ist nach wie vor viel zu gross.“ Zum Vergleich: Schweden hat 10‘000 aktive Soldaten, Finnland 16‘000, Österreich 26‘000 – in der Schweiz sollen es weiterhin 100‘000 sein. Vor einem Jahr war selbst der Bundesrat zum Schluss gelangt, der Ersatz der Tiger-Kampfjets sei „nicht dringlich“. Jetzt wollen die Bürgerlichen im Eilverfahren auf Einkaufstour gehen und über sechs Milliarden Franken für ein Gerät ausgeben, das ausser Pilot Thomas Hurter niemand wirklich braucht. Wer – wie Hans-Ulrich Ernst – den Tatsachen ins Auge sieht, kommt nicht um die Feststellung herum, „dass das heutige Milizsystem nicht mehr funktioniert. Jeder dritte Armeeangehörige verschiebt seinen WK, 93 von 100 sind mit der Erfüllung der Dienstpflicht in Verzug.“ Anzufügen wäre, dass jährlich tausende von jungen Männern auf dem blauen Weg von der Wehrpflicht entbunden werden, weil die Armee gar nicht weiss, was sie mit ihnen anfangen soll.

Wir brauchen Abrüstung statt Aufrüstung und das heisst: Abschaffung der Wehrpflicht, Bestandesreduktion auf maximal 50‘000 Soldaten, Verzicht auf Panzer und Kampfflugzeuge, Ausrichtung der Truppe auf  jene wenigen Risiken, auf die überhaupt mit militärischen Mitteln reagiert werden kann. Wir brauchen keine Armee, die dem Bedrohungsbild der 1950er Jahre entspricht, sondern eine, die Land und Leute vor real existierenden Risiken schützt.

Wir hätten Besseres zu tun als militärisch aufzurüsten. Wir müssten die Infrastruktur der Bahn schneller den gestiegenen Bedürfnissen anpassen, die Energiewende entschlossener vorantreiben, die ausserfamiliäre Kinderbetreuung attraktiver gestalten, Forschung und Entwicklung höher dotieren, den Kampf gegen den Hunger in der Dritten Welt intensivieren. Kurz und gut: Wir sollten in die Zivilgesellschaft investieren, nicht in den Militarismus. Da hätte wohl nicht einmal die Wirtschaft etwas dagegen, die die jungen Leute lieber bei sich an der Arbeit sähe als in der Armee bei Schiess- und Marschübungen.

Hans-Jürg Fehr

 

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