Ist das Kantonsspital eine Schokoladenfabrik?

Votum von Kantonsrat Matthias Freivogel zur Spitalfinanzierung – Ich habe Ihnen die Motion «Verzicht auf Gewinnausschüttungen der Spitäler Schaffhausen» (SSH) an den Kanton mit einer ziemlich ausführlichen Begründung, die auch mit Zahlen unterlegt ist, geliefert: Ich halte dazu einzig fest, dass die SSH in den 3 Jahren 2018, 2019 und 2020 insgesamt gut 10 Million Franken an Gewinn in die allgemeine Staatskasse abgeliefert haben. Wozu eigentlich? In den gleichen Jahren schrieb der Kanton nämlich fette Gewinne in Höhe von weit mehr als 100 Millionen, notabene unter Berücksichtigung von dutzenden Millionen, die in finanzpolitische Reserven gelegt worden sind. Heute befinden sich in solchen Reserven gut 240 Millionen, die bisher nicht angezapft werden mussten. Nebenbei: Wir könnten damit den ganzen Neubau des Spitals finanzieren; mit unserer neu lancierten Spitalinitiative verlangen wir einen moderaten Kantonsbeitrag von 60 Millionen, was für den Kanton leicht stemmbar ist.

Demnächst wird sodann der Abschluss 2021 der SSH herauskommen, und es ist wohl davon auszugehen, dass abermals eine Gewinnausschüttung an den Kanton zur Debatte stehen wird. Ich frage Sie: Macht das weiterhin Sinn, oder besser: Hat es jemals überhaupt Sinn gemacht? Es ist mir durchaus bewusst, dass ich diese Frage auch schon viel früher hätte stellen können oder sogar müssen -doch besser spät als nie. Dies vor dem Hintergrund, dass die SSH, die ein Dotationskapital von immerhin rund 50 Millionen aufweisen, seit rund 10 Jahren Geld auf die Seite legen, um einen Neubau zu finanzieren, der nach heutiger Faktenlage, wie erwähnt, 240 Millionen kosten soll.

Was ist, der Unterschied zwischen einer Schokoladenfabrik und einem Spital?

Salopp gesagt: 

Die Schoggifabrik produziert Genuss, auf den wir ohne Not verzichten können. Kennen Sie eine Kantonale Schoggianstalt? Ich nicht. Eine Schoggifabrik ist hierzulande ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das Arbeitnehmende hoffentlich zu einem den herrschenden Lebensverhältnissen angepassten und ihrer Leistung entsprechenden Lohn beschäftigt und den Steakholdern einen angemessenen Gewinn abwerfen soll und darf. Ein Gewinn notabene, der angemessen und gerecht zu versteuern ist, was durchaus auch wieder einmal auf den Prüfstand gestellt werden darf, ohne dass wir Linken den Kapitalismus dabei überwinden müssen. Dessen schädliche Auswüchse aber schon, wie in keiner Weise zu rechtfertigende Löhne von Managern und Chefinnen in mehrfacher Millionenhöhe.

Ein Spital hingegen ist eine Institution, oder sollte ich in Anführungs- und Schlusszeichen eher sagen, eine «Fabrik», in welcher Leiden und Schmerz bekämpft wird und hoffentlich auch überwunden werden kann, wobei wir alle, ob links, rechts oder mittig positioniert, nicht darauf verzichten wollen, wenn wir krank sind und leiden. Zurecht herrscht Einigkeit darüber, dass die Gesundheitsversorgung zu einer wichtigen, wenn nicht zur wichtigsten Aufgabe unseres Gemeinwesens gehört, denn jeder Mensch kann krank werden, mit oder ohne Schokolade – Stichwort Corona! – und ist dann auf ärztliche Hilfe, namentlich in einem Spital, angewiesen. Es gibt zwar grundsätzlich eine freie Spitalwahl in der Schweiz, auch dürfen wir uns frei entscheiden, ob wir ärztliche Hilfe, namentlich in einem Spital, beanspruchen wollen. Doch Hand aufs Herz: Wer verzichtet darauf, wenn ein Leiden, eine Verletzung, eine Krankheit so stark wird, dass es nicht mehr auszuhalten ist oder wir sogar dem Tod ins Auge schauen? Heute stellt sich uns im Kantonsrat die Frage: Macht es Sinn, dass ein Spital, dass unser Spital, dem Gemeinwesen, dem Kanton, der ihn direkt oder indirekt betreibt und auch zu einem grossen Teil mitfinanziert, weiterhin Gewinn oder einen Anteil davon abliefern muss, notabene zur freien Verwendung? Ich meine: Das macht keinen Sinn. Oder ist der nächste Schritt gelegentlich, dass auch Schulen Gewinn abliefern müssen, wenn sie demnächst eine Schülerpauschale erhalten und gut «wirtschaften»? Absurd! 

Ich halte fest: Die Spitäler Schaffhausen sind gemäss Artikel 26 des Spitalgesetzes von allen Steuern befreit. 

Gut so und auch unbestritten. Nun ist es aber an der Zeit, diesen Artikel ganz einfach zu ergänzen mit dem Halbsatz: «und liefert dem Kanton keinen Gewinn oder Anteile davon ab»In der Folge wäre der Rahmenvertrag zwischen dem Regierungsrat und den SSH entsprechend anzupassen. Es ist keine Hexerei!

Das Spital benötigt diese finanziellen Mittel nämlich dringend, um endlich dem Pflegenotstand wirksam entgegenzutreten, um die Arbeitsbedingungen, namentlich bei der Pflege, aber nicht nur dort, z.B. auch im Notfallzentrum, spürbar zu verbessern. Die wuchtige Annahme der Pflegeinitiative vor einem halben Jahr muss uns heute den Weg weisen, diesen Schritt, neben der Überweisung des Postulates Salathé, jetzt zu machen und dem Spital den nötigen finanziellen Spielraum zu eröffnen. Andere Kantone machen das ebenfalls, wenn auch in unterschiedlicher Art und Weise.

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