Votum Matthias Freivogel für SP-Fraktion zur Corona-Initiative

Seit der Kommissionssitzung vom 11. November wissen wir, dass unserer Initiative ein harscher Gegenwind von bürgerlicher Seite entgegenweht. 

Doch weshalb? Wir sehen keine Gründe dafür. Im Gegenteil: Die Initiative kommt genau zur richtigen Zeit, sie ist moderat und trifft den Nagel auf den Kopf. 

Vor rund zwei Wochen wurde – wie jedes Jahr um diese Zeit – in der Zeitschrift «Bilanz» darüber berichtet, wie es den 300 Reichsten imSteuerparadies Schweiz im letzten Jahr ergangen ist. Einmal mehr zeigte sich, dass die Reichsten reicher geworden sind, und zwar markant, die Armen ärmer. Und der Mittelstand stagnierte – bestenfalls! Die Eigentumsquote im Immobilienmarkt ist rückläufig und verstärkt die Ungleichheit in der Schweiz. Eine Studie von Raiffeisen hält fest: «Wohneigentum wird zum Privileg und ist für den Durchschnittshaushalt nicht mehr erschwinglich». Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff, gewiss kein Linker, hält fest: «Es gibt eine Umverteilung von arm zu reich, von weniger gebildet zu gebildet und von jung zu alt».

Und jetzt verlangen die bösen Linken mit ihrer Coronainitiative, genau diese Leute, die im Coronajahr 1 markant an Reichtum zulegen konnten, sollten ab 2023 während 5 Jahren verpflichtet werden, 0.3 Promille mehr an Vermögensteuern zu bezahlen, um die durch die Pandemie verursachten Kosten beim Kanton besser bzw. besser verteilt, schultern zu können. Breite, starke Schultern können mehr tragen, als schmale, gebrechliche. Das ist nun mal so. Der Kanton ist ein freiheitlicher, demokratischer und sozialer Rechtsstaat, so Art. 1 der Kantonsverfassung; und an einem anderen Ort steht: Jede Person trägt Mitverantwortung für die Gemeinschaft und die Umwelt.

Heute in Coronazeiten ist es genau so: Das Pflegepersonal z.B. leistet seinen weit überdurchschnittlichen, ziemlich an die Substanz gehenden Beitrag zur Überwindung der Pandemie an der «Front» im Spital, in den Heimen und in der Spitex – und zahlt notabene weiterhin die gesetzlichen Steuern.

Und jetzt also möchten wir von der SP diejenigen, welche mehr als 2 Millionen versteuern, finanziell also sehr gut gestellt sind – es handelt sich um rund 1100 Personen im Kanton – verpflichten, ihre Leistung zu Gunsten des durch Corona arg strapazierten Gemein-wohls während 5 Jahren um 0,3 Promille zu erhöhen. Mit einem gemeinsamen Ziel: Bewältigung der Coronakrise. Das ist weiss Gott nicht zu viel verlangt: Wer z.B. ein Vermögen von 2,5 Mio. versteuern kann, bezahlt pro Jahr nach der achtprozentigen Senkung des Steuerfusses rund 270 Franken mehr Steuern;bei 5 Millionen rund 1600 Franken und bei 20 Millionen rund 10’000Franken als Zuschlag. Das ist absolut zumutbar! Das Pflegepersonal, aber auch andere durch die Pandemie stärker geforderte Angestellte des Kantons, namentlich in den Lehrberufen, bei der Polizei, überhaupt viele leisten seit anderthalb Jahren Zusätzliches für das Gemein-wohl. Ich nenne das Mitverantwortung für die Gemeinschaft, oder auch: Solidarität. 

Dem Kanton würden bei Annahme der Initiative etwas mehr als eine Million Franken pro Jahr zufliessen, minim weniger den Gemeinden.

Von bürgerlicher Seite wird vorgebracht, der Kanton habe vorig genug Geld und benötige diesen zusätzliche Beitrag in die Staatskasse nicht. 

Das stimmt insofern, als dass der Kanton den durch Corona entstandenen und weiter entstehenden, nicht unerheblichen Zusatzaufwand, auch ohne diesen Zustupf der Reichen aufbringen kann, ohne dabei auf dem Zahnfleisch zu laufen. Uns geht es freilich darum, dass durch diesen moderaten Solidaritätszuschlag während 5 Jahren die wirtschaftlich sehr gut Situierten ihren zusätzlichen finanziellen Beitrag zur Bewältigung der laufenden Pandemiekosten des Kantons ebenfalls leisten, und zwar pflichtgemäss, gleich wie viele andere auch mehr leisten oder auch hinnehmen müssen, damit unser Kanton seine Dienstleistungen für die Gesellschaft aufrecht erhalten kann.

Gemäss Oktoberbrief der Regierung, Seite 29, hat sich allein der Personalaufwand wegen Corona (Covid-19-Team, Contact Tracing, Impfzentrum) um 5,245 Mio. erhöht, der Sachaufwand im Bereich Gesundheitsamt / Kantonsärztlicher Dienst um 660’000 Franken. Der Transferaufwand erhöhte sich um 1,04 Millionen für Spitalleistungen Psychiatrie sowie um knapp 1,4 Millionen für Spitalleistungen Rehabilitation. Das soll nicht alles einfach dem Vermögen des Kantons entnommen werden, sondern auch aus laufenden Steuereinnahmen.

Mit der Motion Nummer 11/2021 «Coronahilfe für armutsgefähr-dete Personen» zeigen wir Ihnen sodann einen Weg auf, wie der wertvolle Zustupf der Reichen, oder ein Teil davon, solidarisch verwendet werden kann. Die bürgerliche Mehrheit hat das im Sommer dieses Jahres auf die lange Bank geschoben und damit gezeigt, wie viel, bzw. wie wenig Ihnen dringend nötige Hilfe für armutsgefährdete Personen bedeutet. Andererseits hat dieser Rat, mit tatkräftiger Unterstützung der Linken, sehr rasch ebenso dringend benötigte Millionen zur Überwindung der Coronakrise für die Wirtschaft, Kultur und Sport in Reservetöpfe gelegt. 

Und jetzt herrscht trotzdem Ratlosigkeit, weshalb in der Sozialhilfe bei uns ein markanter Anstieg von 8,1 Prozent zu verzeichnen ist, während in St. Gallen, wo es eine unbürokratische Überbrückungs-hilfe für armutsgefährdete Personen gibt, der Anstieg lediglich 0,7 Prozent beträgt.

Es gibt bei der Initiative sodann noch eine zweite Komponente, nämlich um die Übergangsbestimmungen. Ich möchte darüber keinen neuen Juristenstreit entfachen, sondern festhalten, dass es der SP nicht darauf ankommt:Nämlich, ob bei einer Annahme der Initiative die eventuell vom Stimmvolk am 13. Februar 2022 zuvor angenommene Senkung der Vermögenssteuern nur während einem Jahr, sprich 2022 zum Tragen kommt, wie der Regierungsrat meint, oder während insgesamt 6 Jahren, wovon wir von der SP ausgehen. Aus unserer Sicht ist und bleibt diese Senkung der Vermögenssteuern ebenso unnötig wie sozialpolitisch unangebracht.

Der bürgerlichen Seite des Kantonsrates ist die Coronasolidaritäts-Initiative offensichtlich ein Dorn im Auge. Leider. Bitte entfernen Sie ihn, dann füllt sich der Leitsatz von Artikel 6 Absatz 2 unserer Kantonsverfassung in ausgewogener Weise mit aktivem Leben:

«Jede Person trägt Mitverantwortung für die Gemeinschaft.»

In diesem Sinne beantragt Ihnen die SP-Fraktion, die Initiative mit der Empfehlung auf Annahme dem Schaffhauser Volk vorzulegen.

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