Sommersession 2021 des Nationalrats

 Hallau, 19.6.2021, Martina Munz, Nationalrätin/ www.martinamunz.ch

Bei zwei persönlichen Vorstössen war ich erfolgreich. Das Postulat «Stopp der Verschotte-rung von Grünflächen» will Grünraum im urbanen Raum für die Biodiversität fördern und grässliche Schottergärten verhindern. Die Motion «ETH zum weltweit führenden Nachhaltigkeitsnetzwerk mit Best-Practice-Anwendungen entwickeln» zwingt die ETH im Bereich der Nachhaltigkeit, eine internationale Vorbildfunktion zu übernehmen.

EU und Klimapolitik :Zurück auf Feld eins

Die Gespräche in der Wandelhalle waren diese Session geprägt vom Abbruch der Verhandlungen mit der EU. In der Sonderdebatte bedauerten ausser der SVP alle Parteien diesen Ausgang der Verhandlungen. Weitgehend einig war man sich, dass die Kohäsionsmilliarde jetzt möglichst rasch frei gegeben und ein Schritt auf die EU zugegangen werden muss.

Nach dem Abstimmungssonntag war die Enttäuschung über das CO2-Gesetz gross. Offensichtlich war die Vorlage überladen, was den Gegnern leichtes Spiel gab. Jetzt stehen wir vor einem Scherbenhaufen. Trotz Klimakrise scheint die Zeit für eine tiefgreifende Wende noch nicht reif. Die Lobby der Fossil-Branche ist stark, der Leidensdruck für die einzelnen BürgerInnen gegenwärtig zu schwach. Darum müssen jetzt Einzelmassnahmen scheibchenweise im Parlament beraten werden.

Gleichstellung beginnt nicht mit Sparmassnahmen

Am 14. Juni demonstrierten die Frauen schweizweit für «Respekt !Mehr Lohn, mehrRente.» Sie verschafften ihrem Unmut über die fehlende Gleichstellung Luft. Zwei Jahre sind vergangen seit dem eindrücklichen Frauenstreik. Frauen sind von Altersarmut besonders betroffen. Tiefe Frauenlöhne und Teilzeitarbeit sind in den Pensionskassen schlecht, Betreuungsarbeit gar nicht versichert. Frauen haben deshalb im Schnitt weniger als 3’000 Franken Altersrente, obwohl sie ein Leben lang gearbeitet haben. Im Nationalrat haben wir die nächste AHV-Reform beraten. Sie sieht eine Erhöhung des Rentenalters ohne strukturelle Ausgleichsmassnahmen vor. Für Frauen bedeutet dies einen Rentenabbau im Gegewert von 1’200 Franken pro Jahr. Von GLP bis SVP sind alle Parteien überzeugt, dass das Rentenalter 65 unbestritten ist. Bei Sparvorlagen brillieren Bürgerliche mit Gleichstellungsvoten. Diese Voten würden wir uns wünschen, wenn es um Lohnfragen in typischen Frauenberufen und besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht. Die letzte Altersreform ist an der Urne gescheitert, zu gering waren die Ausgleichsmassnahmen für die Erhöhung des Rentenalters. Die vorliegende AHV-Reform sieht gar keine Verbesserungen vor. Eine Sparvorlage auf dem Buckel der Frauen ist in der Bevölkerung nicht mehrheitsfähig.

Pandemie kann nicht per Gesetz für beendet erklärt werden

Die SP Fraktion begrüsst die Öffnungsschritte zur ersehnten Normalität. Wir sollten diesen Weg sorgfältig gehen, da es trotz der positiven Entwicklung der epidemiologischen Lage Ungewissheiten gibt. DasCovid-19-Gesetz gibt die Grundlage, laufend auf die Entwicklung der Coronakrise zu reagieren. Dies mit dem Ziel, die Krise so zubegleiten, damit die Menschen und die Wirtschaft von einem staatlichen Auffangnetz getragen werden. Zahlreiche, von der Krise hart getroffene Branchen, sind weiterhin auf länger andauernde Unterstützung angewiesen. Erwerbsmassnahmen wurden verlängert und auch Menschen mit tiefen Löhnen bekommen bis Ende Dezember eine höhere Entschädigung. Knapp abgelehnt wurde die Verlängerung der Massnahmen im Kulturbereich bis Ende April 2022. Die Kulturbranche wird noch lange brauchen, um sich zu erholen. Die SP bleibt bei ihrem Grundsatz, im Gesetz nur die wichtigsten Eckwerte festzulegen. Die SVP wollte hingegen rasche Lockerungsschritte vorschreiben, die Maskenpflicht im Freien aufheben, Homeoffice-Pflicht beenden und die Taskforce abschaffen. Gleichzeitig stellte sie Kürzungsanträge bei repetitiven Tests und bei Krediten zur Beschaffung von Impfungen. Den Bund kostete ein Tag im Lockdown 150 Millionen Franken, da macht es keinen Sinn bei Tests und Impfungen zu sparen.

Jugendschutz statt heile Welt

Minderjährige sollen vor Sex-und Gewaltdarstellungen in Filmen und Games geschützt werden. Onlinehändler und Plattformen wie Youtube werden neu zu Alterskennzeichnungen verpflichtet. Aber auch vor fieser Abzockerei werden Kinder in Zukunft besser geschützt. Die sogenannten «In-App-Käufe» versuchen das Suchtverhalten der Kinder und Jugendlichen auszunutzen: Wer nicht zahlt, bleibt auf einem tiefen Level hängen. Die Game-Branche finanziert sich zunehmend damit. Einzig die SVP-Fraktion lehnte den Jugendschutz ab. Den Kindern solle mit Sport und Musik die realen Werte vorgelebt werden. Schöne heile Welt! Die Mehrheit des Nationalrates ist sich seiner Verantwortung bewusst und stellt sich mit einem aktiven Jugendschutz der Realität.

Landwirtschaft: Weiter wie bisher!

Mit zwei Standesinitiativen fordern die Kantone Genf und Jura ein Verbot bzw. einen Ausstiegsplan für das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat. Der Abstimmungskampf zu den zwei Agrarinitiativen war noch im vollen Gang, als der Nationalrat dem Anliegen der Kantone eine Abfuhr verpasste, mit der Begründung Glyphosat sei bezüglich Toxizität ungefährlich. Glyphosat steht jedoch im Verdacht, Krebs auszulösen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO stuft das Mittel in die zweithöchste Gefahrengruppe ein, in Österreich ist es verboten. Die Agrarkonzerne können nach den Agrarabstimmungen aufatmen, ihre treue Lobby im Parlament macht weiter wie bisher! Allerdings ist mit der Subventionierung von Pestiziden Schluss. Der reduzierte Mehrwertsteuersatz von 2.5% für Produkte des täglichen Bedarfs, soll gemäss Nationalrat auf den regulären Satz von 7.7% gesetzt werden. Ob diese Motion nach den Agrarabstimmungen im Ständerat eine Mehrheit findet, ist allerdings fraglich.

Blockade bei Zubau von erneuerbarer Energie gelöst

In der Umweltkommission ist uns ein einstimmiger Kompromiss gelungen, das hat Selten-heitswert. Es droht eine Förderlücke beim Zubau von erneuerbaren Energien bis das neue Energie-und Stromversorgungsgesetz in Kraft ist und um den Stau bei Photovoltaikanlagen ohne Eigenverbrauch zu lösen. Mit der parlamentarischen Initiative werden Fördergelder mit Investitionsbeiträgen effizienter eingesetzt, um die Produktionskapazität zu erhöhen. Ein Kompromiss hat aber auch immer eine andere Seite der Medaille. Die Wasserkraft wird tendenziell bevorteilt. Insbesondere Kleinwasserkraftanlagen erhalten einen hohen Subventionsansatz. Das ist deshalb schmerzlich, weil bereits 95 Prozent der Gewässer energetisch genutzt werden. Bei kleineren Gewässern ist der Beitrag an die Stromversorgung jedoch klein, der ökologische Schaden aber gross.

Einheitsbrei im Journalismus gefährdet Meinungsbildung

Medienvielfalt und qualitativer Journalismus sind für eine Demokratie überlebenswichtig. Die Vielfalt ist durch die wegfallenden Werbeeinnahmen bedroht. In rund zehn Jahren haben sich die Werbeeinnahmen der Schweizer Medien halbiert. Corona hat diese Tendenz verstärkt. Als Folge kommt es zu einem Einheitsbrei beim Inhalt; das Kerngeschäft verschiebt sich von Journalismus hin zu Werbeplattformen. Die Schweiz darf diesem Trend nicht tatenlos zusehen. 120 Millionen Franken gehen zusätzlich als Fördergelder in die Ausbildungen, Nachrichtenagenturen und in die Stärkung der journalistischen Standards. Besonders umstritten war die OnlineFörderung, die für die kleineren, unabhängigen Portale wichtig ist und dem neuen Nutzungsverhalten Rechnung trägt. Die FDP versuchte die SRG auf ein Schmalspur-Online-Fenster zu beschränken und dieses Fenster für Private freizuhalten. Das konnten wir abwenden. Gegen das Massnahmenpaket wird von den «Freunden der Verfassung» das Referendum ergriffen. Diese sind gegen jegliche staatliche Medienförderung und behaupten, die Unabhängigkeit würde dadurch verloren gehen.

Es werde Licht

In Sachen Transparenz konnte sich das Parlament zu einem indirekten Gegenvorschlag durchringen. Wir machen damit einen grossen Schritt nach vorne. Die Beiträge an Parteien und Komitees müssen ab 15’000 Franken künftig offen gelegt werden und auch der Ständerat wird zur Offenlegung gezwungen. Damit kommt endlich Licht in die Politikfinanzierung. Die JUSO Schaffhausen war wegweisend für die Akzeptanz des Gegenvorschlags.

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