Hallau, 19.12.2020, Martina Munz, Nationalrätin/ www.martinamunz.ch
Die Entsolidarisierung mit kranken und älteren Menschen während der Pandemie spitzt sich zu. Täglich sterben rund hundert Personen. Im Gesundheitswesen sind die Angestellten er-schöpft. Während den letzten Wochen übte die Wirtschaft grossen Druck auf den Bundesrat aus und verlangt «eigenverantwortliche» Massnahmen. Das ist gefährlich. Einen Gegensatz zwischen Gesundheit und Wirtschaft gibt es nicht. Jetzt gilt es Leid zu vermeiden. Die Ge-sundheit der Bevölkerung zu schützen, ist das beste Mittel, um eine langanhaltende soziale und wirtschaftliche Krise abzuwenden. Konsequente Massnahmen müssen durchgesetzt werden. Gleichzeitig brauchen die vielen Menschen am Rande des wirtschaftlichen Ruins schnell grosszügige, wirtschaftliche Staatshilfen zur Existenzsicherung. Gerade in dieser Krise zeigt sich, wie wichtig ein starker Staat ist.
Ich wünsche besinnliche Weihnachtstage und auf ein hoffentlich gutes 2021!
Bliibet gsund!
Bürgerliche lassen ihre Klientel im Stich
Die SP hat beim Covid-Gesetz viel erreicht. Insbesondere Jacqueline Badran und Mattea Meyer waren im Dauereinsatz. Die Bürgerlichen stimmten nur unter grossem, öffentlichem Druck den Verbesserungen zu. Die Erwerbsausfallentschädigung für Selbständige und Inha-berähnliche mussten erkämpft werden, obwohl sie in die Arbeitslosenversicherung einzah-len. Nothilfemassnahmen für die Eventbranche, Reisebüros und Schausteller, aber auch die Härtefallregelung für Gastrobetriebe, das alles waren Forderungen der Linken. Nach mona-telangem Hickhack haben die bürgerlichen Parteien sogar den Teilmieterlass für Geschäfts-mieten versenkt. Konkurse werden die Folge sein. Viele KMU sind enttäuscht, dass sie aus-gerechnet während der schweren Krise von der FDP, CVP und SVP im Stich gelassen wurden. Wer keine gut bezahlte Lobby hat, wie die Pharma-, Banken- oder Versicherungsbranche, hat bei den wirtschaftsfreundlichen Parteien das Nachsehen.
Schengen: erfolgreiches Powerplay der SP
Die europäischen Behörden sollen künftig mit einem Mausklick alle Schengen- und Dublin-Datenbanken gleichzeitig abfragen können, auch die in der Schweiz. Das Gesetz wurde schon in der Herbstsession diskutiert. Damals hat sich die SP der Stimme enthalten, weil der Datenschutz ungenügend war. Dieses wurde nochmals zur Beratung zurückgeschickt. Eine Ablehnung hätte das Aus für die Schengen-Zusammenarbeit bedeutet. Karin Keller-Sutter war deshalb aufgeschreckt und daraufhin bereit Konzessionen einzugehen. Für einmal war es der SP möglich, als Mehrheitsbeschafferin ihre Kräfte auszuspielen und damit wich-tige Nachbesserungen bewirken zu können. Diese Position werden wir vermehrt nutzen, wenn es um die Zusammenarbeit mit der europäischen Grenzschutzbehörde Frontex geht, um im europäischen Raum Menschen- und Asylrecht zu stärken.
E-Zigarette wird privilegiert
Die Schweiz hat das Übereinkommen der WHO als eines der wenigen Länder noch nicht ra-tifiziert. Dazu wäre ein umfassendes Verbot von Tabakwerbung nötig. Die Kontroverse um das Tabaksponsoring an der Weltausstellung in Dubai, hat der Öffentlichkeit gezeigt, dass die offizielle Schweiz die Prävention und den Jugendschutz zurückstellt, wenn Tabakkon-zerne ihre wirtschaftlichen Interessen ausspielen. Das Trauerspiel hat sich in dieser Session bei der Behandlung des Tabakproduktegesetzes wiederholt. Prävention und Jugendschutz müssen hinter den Interessen der Tabaklobby zurückstehen. Alain Berset musste bereits die erste Vorlage zurücknehmen und das Werbeverbot entschärfen. Nun will der Nationalrat Werbung auf Social Media zulassen; also genau dort, wo junge Menschen unterwegs sind. In Restaurants und Läden soll das Rauchverbot zugunsten des Dampfens gelockert werden. Das privilegiert die E-Zigarette und führt zu einer Verharmlosung des Einstiegsproduktes. Für die Tabakkonzerne ist es ein lukratives Geschäft!
Cannabis: für Kranke bald legal
Medzinalcannabis kann für Personen mit chronischen Schmerzen und Muskelkrämpfen grosse Linderung bedeuten. Bereits heute gibt es Tausende von Patientinnen und Patienten, die Cannabis verschrieben bekommen. Dafür müssen Ausnahmebewilligungen eingeholt werden. Dieser bürokratische Aufwand erschwert den Zugang, verzögert die Therapien oder lässt den Schwarzmarkt florieren. Das Betäubungsmittelgesetz wird nun endlich angepasst. Das erfüllt so viele Schmerzpatientinnen und -patienten mit Hoffnung. Die SVP lehnte die Gesetzesänderung ab. Sie befürchtet Missbrauch und hat auch gesundheitliche Bedenken. Diese Argumente sind wenig kongruent mit ihrer Haltung zum Tabakproduktegesetz.
Ehe für alle mit klitzekleinem Unterschied
Ein historischer Schritt auf dem langen Weg zur Gleichstellung: Gleichgeschlechtliche Paare dürfen heiraten und eine Ehe eingehen; sie müssen sich nicht mit einer eingetragenen Part-nerschaft begnügen. Vor zwanzig Jahren wurde der erste Vorstoss dazu eingereicht. Ein Streitpunkt war, ob gleichgeschlechtliche Paare die Fortpflanzungsmedizin in Anspruch neh-men dürfen. Tatsächlich konnte sich das Parlament dazu durchringen. Die Samenspende für lesbische Frauen wird zugelassen, allerdings nur, wenn diese in der Schweiz erfolgt. Argu-mentiert wurde mit dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung. Als ob es dies-bezüglich einen Unterschied von Kindern heterosexueller und homosexueller Ehen gäbe. Das letzte Wort wird das Stimmvolk haben; die EDU hat bereits das Referendum angekündigt.
«Buebetrickli» der Agrarlobby
Die Belastung der Gewässer mit Pestiziden und Nitrat beschäftigt uns seit Jahrzehnten. Die Politik ignorierte das Problem, Trinkwasserversorger schlagen Alarm. Mittlerweile trinken mehr als eine Million Menschen in der Schweiz pestizidbelastetes Trinkwasser. Die Trinkwas-ser- und Pestizidverbotsinitiative sorgen nun für Bewegung. Die Bauernschaft fürchtet die Annahme der beiden Initiativen. Der Ständerat erkannte den Ernst der Lage und zimmerte ein griffiges Gesetz zur Pestizidreduktion. Doch die Landwirtschaftsvertreter wehrten sich im Nationalrat lautstark gegen sämtliche Massnahmen. «Wir wollen eine produzierende Land-wirtschaft und nicht den Menschen im Ausland das Essen wegessen», so die markigen Worte. Die Vorlage sei ein «Buebetrickli». Tatsächlich ist die Bauernlobby nicht gewohnt, eine Nie-derlage einzustecken. Der Nationalrat hat knapp der Pestizidreduktion zugestimmt, die Nit-ratreduktion blieb leider auf der Strecke. Die Agrarpolitik 22+ hätte die dringend nötigen ökologischen Reformen in der Landwirtschaft gebracht. Doch im Ständerat ist es den Bauern gelungen die Agrarpolitik zu sistieren. Die Umweltziele werden damit für Jahre auf die lange Bank geschoben. Der Bauernverband konnte sich durchsetzen, obwohl er nur die Hälfte der Landwirtschaftsbetriebe vertritt. Die Verbände Bio Suisse, IP Suisse und Kleinbauernverei-nigung vertreten die andere Hälfte, diese unterstützen die Zielsetzung der AP 22+.
Missbrauchsbekämpfung im Spitzensport
Vor wenigen Wochen kamen schockierende Aussagen junger Spitzensportlerinnen an die Öffentlichkeit. Diese berichteten über verbale und psychische Übergriffe von Trainerinnen und Trainer, die sie zu Höchstleistungen anspornen wollten. Spitzensport verlangt zwar viel von den jungen Athletinnen und Athleten, doch vor Machtmissbrauch müssen sie ge-schützt werden. In Sportarten, in denen schon Minderjährige Spitzenleistungen erbringen, braucht es zwingend Schutzmechanismen. Nach den Veröffentlichungen hat das Parlament in Rekordgeschwindigkeit gehandelt und eine Meldestelle für Vorfälle in Auftrag gegeben.
Mehr Geld für Weiterbildung und Bildung für Spätzugezogene
Ausnahmsweise war die Beratung des Budgets nicht von Sparanträgen geprägt. Sie verlief deshalb weitgehend ruhig und wurde von der Öffentlichkeit kaum bemerkt. Mit der BFI-Botschaft erhält Bildung, Forschung und Innovation einen Rahmenkredit für vier Jahre. Da-bei ist es uns gelungen, in den Zahlungsrahmen zusätzliche 60 Millionen Franken für die berufsorientierte Weiterbildung und 28 Millionen für die Grundbildung aufzunehmen. Damit kann das Weiterbildungsgesetz, das seit drei Jahren in Kraft ist, endlich Wirkung entfalten. Nun müssen die Kantone aktiv werden und das Geld abholen. Patrick Strasser, als neuer Erziehungsdirektor, könnte damit seine Gestaltungskraft beweisen.
Hallau, 19.12.2020, Martina Munz, Nationalrätin/ www.martinamunz.ch