Sommersession 2019 des Nationalrats

Hallau, 23. Juni 2019, Martina Munz, Nationalrätin/ www.martinamunz.ch

Drei meiner persönlichen Vorstössen machten in dieser Session von sich reden. Die Motion «Food Waste» wurde vom Bundesrat zur Annahme empfohlen. Nicht verkaufte Lebensmittel sollen statt vernichtet an Bedürftige abgegeben werden. Die Motion «Arbeitsintegration für anerkannte Flüchtlinge» wurde schon vor vier Jahren angenommen und mit der Integrationsagenda umgesetzt. Trotzdem wird sie noch nicht abgeschrieben, weil noch weiterer Handlungsbedarf besteht. Der dritte Vorstoss verlangte nach dem Fall Hefenhofen effizientere Tierschutzkontrollen. Diese wurden nun mit gutem Erfolg umgesetzt.

Whistle-Blower-Gesetz versenkt

Jahre sind vergangen seit das Parlament dem Bundesrat ein Whistle-Blower-Gesetz in Auftrag gegeben hat. Nacht acht Jahren wurde dem Parlament ein kompliziertes Gesetz vorgelegt, das gleich zurückgewiesen wurde. Die Neuauflage wurde in dieser Session in seltener Eintracht mit Stimmen von links bis rechts versenkt. Die Bürgerlichen kritisierten die praxisuntaugliche Melde-Kaskade, links bemängelte die fehlende Rechtssicherheit für Betroffene. Das Gesetz erlitt Schiffbruch. Eine befriedigende, gesetzliche Regelung für Whistle-Blower ist in der Schweiz nicht in Sicht. Wer in einem Betrieb Missstände aufdeckt und damit an die Öffentlichkeit geht, riskiert weiterhin seine Arbeitsstelle zu verlieren. Viertelstunde Unterbruch für Frauenstreik

 Viertelstunde Unterbruch für Frauenstreik 

Eine verdammte Sauerei sei das, die Ratssitzung wegen dem Frauenstreik für eine Viertelstunde zu unterbrechen, so wetterte ein Nationalrat. Frauenanliegen haben es im Bundeshaus noch immer schwer! Was wir aber am 14. Juni erleben durften war überwältigend. Punkt elf traten wir Nationalrätinnen begleitet von Bundesrätin Amherd und Nationalrats-präsidentin Carobbio vors Bundeshaus. Eine geballte Ladung Frauenpower empfing uns auf dem Bundesplatz mit lautem Getöse und klaren Forderungen. Doch was mich in Schaffhausen am Nachmittag erwartete, übertraf alle Erwartungen. So viele Frauen, die solidarisch für eine gerechtere Gesellschaft kämpften. Ein kraftvoller Protesttag, der in die Geschichte eingehen wird! In 170 Jahren Kantonsgeschichte hat Schaffhausen erst drei Frauen nach Bern gewählt und wir drei Frauen, Esther Bührer, Ursula Hafner und ich, durften gemeinsam den langen und bunten den Demonstrationszug durch die Vordergasse anführen. Ein wunderbarer Tag, der Mut macht für die weitere politische Arbeit. Quötchen mit Samtpfötchen

 Quötchen mit Samtpfötchen 

Der Frauenstreik zeigte schon bald Wirkung im Ständerat als das Aktienrecht behandelt wurde. Frauenquoten auf der Teppichetage sind nun beschlossene Sache. Für aktienkotierten Unternehmen gilt der Richtwert von 20 Prozent Frauen in der Geschäftsleitung und 30 Prozent im Verwaltungsrat. Die Quote ist weich, denn es drohen bei Nichteinhaltung keine Sanktionen. Unternehmen müssen sich lediglich erklären. Trotzdem lehnten die SVP und Teile der FDP ab. Der Druck der Strasse hat aber gewirkt. Die vorberatende Kommission lehnte das Anliegen noch ab. Einige Ständeräte haben aber unter dem starken Auftritt der Frauen ihre Meinung geändert und den weichen Quoten zum Durchbruch verholfen. Wahljahr verhindert Kürzung von laufenden Renten

 Wahljahr verhindert Kürzung von laufenden Renten 

Rentenkürzungen bei schlechter Finanzlage, das verlangte der grünliberale Thomas Weibel. Bis anhin war die Kürzung von bestehenden Renten ein sozialpolitisches Tabu. Wo bliebe die finanzielle Sicherheit der Pensionierten, wenn ihre Rente von der Finanzlage abhängig wäre? Doch die Idee verfing bei den Bürgerlichen. Sie hätten gerne dem Vorstoss zugestimmt, wäre nicht Wahljahr. Sie fürchteten, von älteren Wählerinnen und Wählern abgestraft zu werden. Viele SVPler konnten sich zwischen dem roten und grünen Knopf nicht entscheiden! So viel Unentschlossenheit habe ich noch nie gesehen. Es flackerte und blinkte! Schlussend-lich stimmten nur 37 für Rentenkürzungen. Die Grünliberalen haben mit diesem Vorstoss aber gezeigt, wo sie sich in der Sozialpolitik positionieren.

Das Bundeshaus bleibt eine Dunkelkammer

Vor vier Jahren war die Empörung über die Kasachstan-Affäre von Nationalrätin Markwalder gross. Über ein Dutzend Vorstösse zum Lobbyismus im Bundeshaus wurden eingereicht. Davon übrig geblieben ist eine Mini-Reform, die sogar von den Lobbyisten unterstütz wurde. Doch der Nationalrat lehnt auch diesen Vorstoss für mehr Transparenz ab. Das, weil die grössten Lobbisten die Mitglieder des Parlaments selbst sind. Sie wollen Einkünfte durch Verwaltungsrat- und Lobbymandate nicht offenlegen. Für solche Interessensvertretungen werden teilweise sechsstellige Geldbeträge bezahlt. Ein Mandat bei einer Krankenkasse oder
einem Verband kann mit wenigen Sitzungen pro Jahr einträglicher sein als die National- oder Ständeratsmandat. Das hat Einfluss auf das Verhalten im Parlament. Auch gewisse Schaffhauser Bundespolitiker scheuen das Licht und weigern sich, ihre Einkünfte offen zu legen. Schade, dass unsere Demokratie das Licht scheut!

Schluss mit Kuscheljustiz: Konzerne müssen Verantwortung übernehmen

Kinderarbeit, menschenverachtende Arbeitsbedingungen, vergiftete Flüsse: an Beispielen mangelt es nicht. Ohne Haftungs- und Sorgfaltsregeln beuten Konzerne Menschen aus und zerstören ihre Umwelt. Es ist kein Zufall, dass gemessen an der Bevölkerung die Schweiz die grösste Dichte an internationalen Konzernen hat, denn als einziges europäisches Land kennen wir keine gesetzlichen Regelungen zur Sorgfaltspflicht. Schmutzige Geschäftspraktiken werden bei uns gebilligt. Die Konzernverantwortungs-initiative macht Schluss damit. Konzerne müssen für Menschenrechtsverle-tzungen und Umweltschäden die Verantwortung übernehmen. Der Gegenvorschlag ist etwas milder, könnte rasch umgesetzt werden, aber
fordert trotzdem verbindlich Haftungsregeln. Economiesuisse, Glencore und Co. brachten aber diesen Gegenvorschlag im Ständerat zu Fall. Die FDP will weiterhin auf Freiwilligkeit setzen und die SVP fürchtet um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz. Zum Glück kam der Gegenvorschlag im Nationalrat knapp durch, denn es gab bei FDP und SVP Abweichler. Sie stimmt für den Gegenvorschlag, weil sie die konsequentere Initiative fürchten. Diese hätte bei einer Volksabstimmung gute Chance. Jetzt ist der Ball wieder beim Ständerat.

Hallau, 23. Juni 2019, Martina Munz, Nationalrätin/ www.martinamunz.ch

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