Die SP Stadt zu Besuch im hinduistischen Tempel Neuhausen

Bericht von Jessica Bischof

Räucherstäbchen, Glocken und Gaben – ein etwas anderer Mittwochabend

Beim Eintreten durchdringt die Nase ein feiner Duft von köchelndem Kardamonreis und brennenden Räucherstäbchen. Tamilen in bunten, traditionellen Gewändern empfangen uns mit einem freundlichen Händedruck und begleiten uns in eine völlig andere Welt – mitten in Neuhausen. Am Mittwoch, 29. August, wurden die Mitglieder der SP im hinduistischen Tempel in Neuhausen empfangen und durften dabei die grosse, tamilische Gastfreundschaft geniessen.

Mehala Thevarjah strahlt über beide Ohren. Die junge Tamilin ist mit acht Jahren in die Schweiz nach Stein am Rhein gekommen. Mittlerweile studiert sie Marketing und bezeichnet sich selbst als Brückenbauerin zwischen ihrer und der Schweizer Kultur. Auch Pfarrer Markus Sieber ist engagiert, Brücken zu schlagen im interreligiösen Dialog. Die beiden scheinen ein eingespieltes Team zu sein.

Wir setzten uns auf die orientalischen Teppiche an den Boden. Markus Sieber macht den Anfang und erklärt kurz die Geschichte des hinduistischen Tempels. Dieser „Ort der Begegnung“ musste flexibel sein. Zuerst war er in den Gruben beheimatet. Es war ein kleinerer Raum mit Bilder von Göttern. Als Gottesfiguren aufgestellt wurden, kam prompt die Kündigung. Seit knapp 1,5 Jahren fand der Tempel im Rundbuck in Neuhausen eine neue Bleibe, jedoch auch nur temporär. Der Vertrag dauert nur drei Jahre: „Diese Situation ist sehr belastend. Ein Mietvertrag über zehn Jahre wäre besser. Trotzdem hat es auch sein Gutes“, sagt Mehala optimistisch: „Seit ich hier in der Schweiz bin, habe ich noch nie einen solchen Kämpfergeist erlebt.“ Die insgesamt 175 tamilischen Familien mit ihren rund 600 Mitgliedern liessen sich nicht unterkriegen. Der Verein richtete hier einen schönen, bunten Tempel ein in der Lagerhalle im Rundbuck. In der Mitte befindet sich eine Art Altar aus weissen Kacheln. In der Mitte sitzen der Gott Shiva mit seinen zwei Frauen sowie links und rechts zwei weitere Götter. Sie sind goldig und farbig verziert. Liebevoll sind sie mit Blumen geschmückt und sitzen vor kleinen Körben mit Mahlzeiten. „Götter sind wie Gäste“, erklärt Mehala, „du würdest deinen Gästen auch immer etwas zu Essen anbieten und es ihnen gemütlich machen, oder?“ Im Hinduismus gibt es eine Vielzahl an Gottesfiguren, das liegt daran, dass Hindus in allem Gott sehen. So gibt es für jeden Planeten einen Gott, der im kleinen Tempel in Neuhausen aufgestellt ist. Für die Schule und fürs Finanzielle gibt es einen Gott. Alles ist Gott und wenn sie sich Inder mit einem „Namaste“ begrüssen, dann heisst das nichts anderes wie „ich ehre Gott in dir, denn Gott ist auch in dir.“ Pfarrer Markus Sieber fügt schmunzelnd an: „Bei uns gibt es ja eigentlich auch so viele Götter wie Menschen, die an Gott glauben. Denn jeder hat eine andere Vorstellung von Gott.“ Brücken bauen.

1983 ging der Krieg in Sri Lanka los. Kurz darauf kamen die ersten tamilischen Flüchtlinge in die Schweiz, wenig später folgten ihre Familien. Die Tamilen sind eine ethnische Minderheit und leben im Norden und Osten von Sri Lanka. Die Singalesen sind folglich in der Mehrheit. „Die beiden Gruppen sprechen komplett verschiedene Sprachen und haben verschiedene Schriften“, erklärt Mehala. Seit 2009 ist theoretisch Frieden im Land. Praktisch jedoch nicht. Es gibt zwar einen neuen Präsidenten, aber die Polizei funktioniert immer noch nach dem alten Regime. Für gewisse Schweizer Tamilen ist es daher immer noch lebensgefährlich in ihr Heimatland einzureisen. Für viele Tamilen ist die Schweiz die neue Heimat geworden. Sie haben sich entsprechend angepasst und integriert. Mit ihnen auch die Götter. So ist auf einem Bild im Tempel eine Göttin zu sehen, die auf dem Rheinfallfelsen sitzt.

Nun wird es still und alle hören gespannt dem Priester zu. Der Tamile trägt eine gelbe Tunika um die Hüfte und hat weisse Punkte im Gesicht. Er geht zu jeder einzelnen Gottesfigur, zündet Kerzen an, beträufelt sie, schmückt sie mit noch mehr Blumen. Dabei spricht er immer eine Art Gebet und wird von einer lauten Glocke begleitet. Dann dreht er sich um und überreicht einem seiner Helfer einen Kerzenständer. Dieser kommt auf uns zu und wir sind aufgefordert unsere Hände vor die Kerzen und dann in unsere Gesichter zu zeigen. „Das Feuer der Götter“, erfahren wir von Markus Sieber. Die gesamte Zeremonie dauert etwa eine halbe Stunde. Zum Schluss gibt es auch eine weisse Markierung in unsere Gesichter. Die Brücke ist geschlagen und endlich können wir den leckeren Kardamonreis verzerren.

Vielen Dank für die Gastfreundschaft und Offenheit!

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