Wintersession 2017 des Nationalrats 

Hallau, 19. Dezember 2017, Martina Munz, Nationalrätin/ www.martinamunz.ch

Wie immer in der Wintersession herrschte auch in diesem Jahr ein emsiger Finanzbazar. Der Bundesrat hatte dem Parlament ein Budget mit grossen Einsparungen präsentiert. National- und Ständerat versuchten mit rund hundert Anträgen die Kürzungen aufzuheben und ande-rerseits weitergehende Sparanträge zu stellen, mit unterschiedlichem Erfolg. Zureden gab die unheilige Allianz zwischen SP und SVP, die das frei gewordene Geld der Altersreform in die AHV verschieben wollten. Die SVP versuchte die Aufstockung des Bahninfrastrukturfonds zu verhindern, die SP wollte die AHV nicht ausbluten lassen. Obwohl die zwei Parteien im Nationalrat eine Mehrheit bilden, haben sie die Rechnung ohne die CVP gemacht. Der Kompromiss der Einigungskonferenz fiel im Ständerat durch. Das Geld fliesst nun in den Schul-denabbau. Das Nachsehen haben die AHV und der ÖV-Fonds, die beide leer ausgehen.

Schweizer Extrazügli gefährdet den internationalen Jugendaustausch 

Aufgrund der Masseneinwanderungsinitiative wurde die Schweizer Teilnahme am internati-onalen Jugendaustauschprogramm Erasmus sistiert. Für die Studierenden müssen die Uni-versitäten seither bilateral verhandeln, 260 Verträge allein an der ETH. Jetzt, wo der Weg für Erasmus Plus frei wäre, will der Bundesrat aus Spargründen an der Ersatzlösung fest-halten. Das eigene Süppchen fokussiert einseitig auf Hochschulen. Die Berufsbildung wird benachteiligt und Jugendaustauschprojekte bleiben ganz auf der Strecke. Der FDP genügt das Ersatzprogramm und auch der SVP-Fraktionspräsident lobte die Minimallösung. Ein Blick auf Aeschis Lebenslauf zeigt, dass er besonders von der internationalen Mobilität profitiert hatte. Der Rat erteilte dann aber den isolationistischen Tendenzen der Schweiz eine Abfuhr. Er gab dem Bundesrat den Auftrag die Vollassoziierung zu Erasmus Plus zu verhandeln. Noch ist im Parlament das Bekenntnis für Bildung und internationale Mobilität mehrheitsfähig!

Im Dunkeln ist gut munkeln 

Wohl aus eigenem Interesse hat sich die Mehrheit der Nationalratsmitglieder gegen die Transparenz im Parlament ausgesprochen. Grosse Spenden und Einladungen zu Lobby-Rei-sen müssen weiterhin nicht offengelegt werden. Als Berufsangabe genügt „Jurist“ oder „Be-rater“ und Angaben zu Arbeitgebenden sind nicht nötig. CVP-Präsident Pfister verhalf dem Nationalrat mit eigenen Anträgen zur Beibehaltung dieser Dunkelkammer. Somit wird bei den neuen Kampfjets wohl kaum der „Vernünftigste“ obsiegen, haben doch Flugzeugbauer bereits Büros in Bern gemietet, um diskret unter der Bundeshauskuppel aktiv zu werben. Die strengeren Unvereinbarkeitskriterien für Mitglieder der Gesundheitskommission wurden ebenfalls versenkt. Mandate von Krankenkassen sind oft einträglicher als ein Nationalratsmandat. Damit orientiert sich unser Gesundheitssystem mit den vielen Krankenkassen und starker Pharmalobby weiterhin nicht an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten.

Hüst und Hott beim Kinderschutz 

In Kinderspitälern werden jährlich rund 1500 Fälle von Kindsmisshandlungen registriert. Die Hälfte der Kinder ist unter 6 Jahre, 80 Prozent der Übergriffe geschehen in der Familie. Bei Verdacht auf Missbrauch wird neu eine Meldepflicht eingeführt für Personen, die professio-nell mit Kleinkindern arbeiten. Diese Präventivmassnahme ist ein wirksames Instrument gegen Kindsmisshandlungen. Einzig die SVP wollte nicht auf das Geschäft eintreten. Sie appel-lierte an die Eigenverantwortung. Das stand im Kontrast zur Pädophileninitiative, deren Umsetzung ebenfalls in dieser Session beraten wurde. Da wurde argumentiert, Schutz und Si-cherheit von Kindern und Jugendlichen seien oberstes Gebot. Gefordert wurden starre Ge-setzesartikel. Bundesrätin Sommaruga appellierte an die Vernunft: „In diesem Staat gibt es eine Gewaltenteilung. Warum haben wir Gerichte, wenn sie den Richterinnen und Richtern jeden Ermessensspielraum nehmen wollen?“ Sogar zum Gesetzesartikel der „Jugendliebe“ wurde ein Streichungsantrag gestellt. Die kompromisslose Forderung nach harten Strafen, aber auch die geschürten Ängste vor Kriminellen, standen in krassem Gegensatz zu den Voten beim Kinderschutz. „Schutz und Sicherheit“ gilt offenbar nicht mehr, und sei es nur eine präventive Meldepflicht, wenn es sich um Übergriffe im familiären Umfeld handelt. Damit ist offenbar weniger gut Politik zu machen!

Berufsbildung erhält viel Lob und wenig Geld 

Mittwochmorgen im Bundeshaus: Rund 100 junge Personen werden von einem stolzen Bun-desrat Schneider Ammann empfangen. Die erfolgreiche Schweizer Delegation hat an den Berufsweltmeisterschaften WorldSkills kräftig Medaillen abgeräumt. Nun stehen die erfolg-reichen Berufsleute im Bundeshaus mitsamt ihren motivierten Teams. Der Bundesrat geizte nicht mit Superlativen. Die jungen Berufsleute seien wichtig für das duale Bildungssystem und für den Werkplatz Schweiz. Bevor dem Bundesrat kritische Fragen gestellt werden konn-ten, war dieser schon wieder bei „wichtigeren“ Aufgaben. So blieb er eine Antwort schuldig, warum das Geld zur Durchführung der WorldSkills in Basel fehlt. Mit einer Kommissiosnmotion ist es uns gelungen, den Bundesrat zu zwingen, seinen Entscheid zu überdenken. Der Bundesrat hatte auch beim Bildungsbudget gespart. Im Gegensatz zur ETH fehlte leider der Berufsbildung die nötige Lobby, um die Kürzungen rückgängig zu machen.

Die Angst der Politik vor der Bauernlobby 

Die WTO verbietet neu Exportsubventionen auf landwirtschaftlichen Verarbeitungsproduk-ten. Diese führen zur Überproduktion im Norden und Preiszerfall im Süden. Aufatmen auf der linken Ratsseite. Das Ende des Schoggigesetzes mit Hauptprofiteur Nestlé war in Sicht. Die Nahrungsmittelindustrie erhielt bisher Millionen, um Schweizer Milch in Export-Schoko-lade zu verarbeiten. Doch der Subventionserfindergeist der Agrarlobby ist beachtenswert. Mit einem Puure-Trickli werden die Schoggimillionen neu direkt zu den Landwirten geleitet. Diese werden verpflichtet, das Geld brav ihren Verbänden abzuliefern. Das Parlament hiess diese Subventionsschlaumeierei zur Umgehung der WTO-Regeln gut und erhöhte diese Ex-portsubventionen sogar um einen Drittel auf 95 Millionen Franken! Insgesamt wurde das Budget der Landwirtschaft um 284 Millionen Franken aufgestockt. Avenir Suisse warf der Bauernlobby vor, den finanzpolitischen Anstand verloren zu haben.

Alle Jahre wieder 

Der Bundesrat hat das Budget der internationalen Zusammenarbeit gegenüber dem Finanzplan um satte 150 Millionen gekürzt. Trotzdem wollte die Finanzkommission des Nationalrats weitere 100 Millionen Franken streichen. Dieser Antrag wurde knapp abgelehnt. Jedes Jahr kommt die Entwicklungszusammenarbeit erneut unter Druck. Beiträge an das Internationale Rote Kreuz und an langfristige Friedens- und Entwicklungsprojekte werden damit gefährdet. Es fehlt die Einsicht, dass Flüchtlingsströme nur verhindert werden können, wenn in den Herkunftsländern Friede herrscht und die Lebensgrundlagen nicht ausgebeutet werden.

Grösser, schneller, höher – kein Zukunftsmodell für Grossanlässe 

Jugendolympiade und Universiade geben jungen Menschen die Gelegenheit, sich in sportlichen Disziplinen international zu messen und gleichzeitig ein internationales Netzwerk zu knüpfen. Insgesamt wurden 28,5 Millionen Franken zur Durchführung von drei Sport-Grossanlässen gesprochen. Der Nationalrat genehmigte die Kredite mit nur einer Gegenstimme. Ein seltenes Bild. Der bewilligte Kredit von 14 Millionen für die Jugendolympiade 2020 zeigt im Vergleich mit der budgetierten Milliarde für die Olympiade 2026 in Sion ein sehr gutes Kosten-Leistungs-Verhältnis. Der olympische Gedanke von Höchstleistung und Respekt ist in diesen Jugendspielen noch immer präsent, im Gegensatz zur Olympiade, die dem Kom-merz geopfert wurde. Grundsätzlich braucht es aber bei Sport-Grossanlässen ein Umdenken. Die SP forderte deshalb die Organisatoren auf, neue Nachhaltigkeitsstandards zu setzen.

Stalkingaffäre hinterlässt Spuren bis nach Schaffhausen 

Nicht nur unter der Bundeshauskuppel mangelt es teilweise an Respekt. Seraina Fürer hat in ihrem Rücktrittschreiben aus dem Kantonsrat Schaffhausen mit viel Zivilcourage das Thema angesprochen. Sie prangerte nicht nur den gönnerhaften Umgang gegenüber jungen Ratsmitgliedern an, sie verurteilte auch die flotten Sprüche über Körperbau und Gebärfähig-keit. Die SN hat diesen mutigen Worten eine einzige Zeile gewidmet. AZ sei Dank wurde das Thema doch noch von den Medien aufgegriffen. Die AZ forderte Seraina auf sich mit einem Wunsch an ihre Ratskollegen zu wenden: „Lasst es doch einfach bleiben!“, so ihr Aufruf.

Das ist doch ein guter Vorsatz für das Neue Jahr! Prosit #MeToo!

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