Von Nationalrätin Martina Munz – Die Herbstsession ist aus unserer Sicht recht erfolgreich verlaufen. Mit der Erweiterung des automatischen Informationsaustausches AIA auf 39 weitere Länder sind wir im Kampf gegen die Steuerhinterziehung einen wichtigen Schritt vorangekommen. Der Um- und Ausbau der Stromnetze sowie das Geldspielgesetz wurden weitgehend in unserem Sinne entschieden. Auch der Angriff auf die Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit konnte erfolgreich abgewehrt werden. Das sind nur einige Erfolgsmeldungen aus dieser Session. Sie haben geholfen, die verlorene Altersreform-Abstimmung einigermassen zu verdauen. Für Er-heiterung sorgte im Ständerat Armin Capaul mit seiner Hornkuhinitiative.
Chilbi im Bundeshaus – doch die Sensation bleibt aus!
Hinz und Kunz der Politprominenz traf sich am Vorabend der Bundesratswahl im Bellevue Palace, umschwärmt von JournalistInnen. Alle hofften auf prickelnde News! Für Aufregung sorgte lediglich eine leicht „gefakte“ Mail der FDP-Frauen, mit tatsächlich einer Wahlempfehlung für Cassis. Das war starker Tubak! Der Tessiner Anspruch auf den Bundesratssitz wurde lautstark angemeldet. Unverständlich blieb, warum die fähige FDP-Frau Laura Sadis nicht für ein Tessiner Zweier-Ticket nominiert wurde. Sie hätte echte Wahlchancen gehabt. Seit Elisabeth Kopp war die FDP nie mehr mit einer Frau im Bundesrat vertreten. Die Bedenken gegenüber dem Krankenkassenlobbyist Cassis waren gross. Krankenkassen sind bemüht, den Leistungskatalog zu kürzen, Franchisen zu erhöhen und die freie Arztwahl einzuschränken. Jetzt, nach der Wahl zum Bundesrat, muss Ignazio Cassis diesen Hut ablegen und die Anliegen der Bevölkerung höher gewichten. In seiner Antrittsrede versuchte er sich von der Umarmung der SVP etwas zu lösen und mit der Erwähnung von Rosa Luxemburg schmeichelte er uns Linken. Tatsächlich ist mit der Wahl von Cassis der Rechts-rutsch im Bundesrat angekommen.
Wo bleiben die Lehren aus der Finanzkrise?
Das Finanzdienstleistungsgesetz sollte Anleger besser davor schützen, Milliardenbeträge mit fragwürdigen Finanzprodukten zu verlieren. Der Bundesrat schlug Schutzmassnahmen wie beispielsweise Sammelklagen vor und einen Fonds für Prozesskosten. Doch dem Gesetz wurden alle Zähne gezogen. Ähnlich wie bei der USR III wurde das Gesetz nach dem Gusto der Banken geschmiedet. Der Anlegerschutz wurde aufgeweicht statt verschärft. Wer nicht vermögend ist, hat kaum Chancen zu seinem Recht zu kommen. Die „Bänker“ aber haben sich unter Umständen einen Bärendienst erwiesen, denn in der EU sind versteckte Provisionen, sogenannte Kickbacks, verpönt. In der Schweiz bleiben sie weiterhin erlaubt. Dadurch könnte der freie Zugang zu den Märkten eingeschränkt werden. Es braucht offenbar noch grössere finanzielle Erdbeben, um das Parlament von einem Gesetz zu überzeugen, das primär die Anleger und nicht die Finanzinstitute schützt.
Unsere längst geforderte Weissgeldstrategie wird umgesetzt
Der automatische Informationsaustausch AIA ist ein wichtiges Instrument zur Verhinde-rung von Steuerhinterziehung und verbindet uns bereits mit europäischen Staaten. Nun wird er auf 39 weitere Länder ausgeweitet, darunter auch finanzpolitisch dubiose Länder wie die Cayman-Insel. Einzig die SVP sperrte sich gegen diese Abkommen. Magdalena Martullo sorgte sich um die Auslandschweizer, sie könnten wegen ihrem angesparten Ver-mögen erpresst werden: „Wir liefern unsere eigenen Leute aus“. Die Argumentation war nicht schlüssig, denn die Auslandschweizer befürworteten die Vorlage. Die Schweiz würde sich ohne AIA einem neuen Reputationsrisiko bezüglich Schwarzgeld, Geldwäscherei und Steuerhinterziehung aussetzen. Den AIA abzulehnen, wie es die SVP wollte, würde die Schweiz wirtschaftlich schwächen. Bundesrat Ueli Maurer musste viele Pfeile seiner eige-nen Partei abwehren: „Der AIA ist heute alternativlos. Die Schweiz hat die internationalen Spielregeln übernommen. Etwas anderes ist für eine offene Volkswirtschaft gar nicht mehr möglich.“