Von Martina Munz und Hans-Jürg Fehr – Der Grund für den hektischen Abstimmungskampf zur USR III liegt weitgehend in der Abstimmungsvorlage selber: Sie enthält wenig Tatsachen und bleibt über weite Strecken eine komplizierte Sammlung von undurchsichtigen Bestimmungen. Das gilt vor allem für die uns Stimmbürgerinnen und Stimmbürger am meisten interessierende Frage, welches denn die Konsequenzen für unser Portemonnaie wären.
Das vorgeschlagene Gesetz räumt den Kantonen extrem viel Spielraum ein bei der Umsetzung in kantonales Recht. Die meisten haben noch gar nicht gesagt, wie sie den Spielraum nutzen wollen. Wir wollen dennoch versuchen, so weit wie möglich mit den uns bekannten Tatsachen oder zumindest mit plausiblen Vermutungen zu argumentieren.
Es ist eine Tatsache, dass das Gesetz die bestehenden Steuerprivilegien für bestimmte ausländische Firmen abschafft. Das war längst fällig. Eine Tatsache ist aber auch, dass die abgeschafften Vorteile gleich durch vier neue ersetzt werden. Eines davon müssen die Kantone in ihr Steuergesetz aufnehmen, drei können sie wenn sie wollen. Ob sie es tun und wie sie es tun, ist bei den meisten noch nicht bekannt. Da sie sich aber unter einander eine harte Steuerkonkurrenz liefern, sich also mit möglichst tiefen Gewinnsteuern um die internationalen Unternehmen balgen, muss davon ausgegangen werden, dass sie den Spielraum soweit es ihnen möglich ist, ausschöpfen. Vor lauter Steuervermeidungsinstrumente hat das Parlament eine Entlastungsbegrenzung einführen müssen. Und das wiederum heisst laut Art. 25b des neuen Gesetzes, dass die erlaubten Abzüge den steuerpflichtigen Gewinn um bis zu 80 Prozent (!) schmälern dürfen. Es wird also nicht der gesamte ausgewiesene Gewinn besteuert, sondern nur ein Fünftel davon.
Heiss umstritten ist die Frage, wie hoch die durch die Gewährung dieser Privilegien zu erwartenden Steuerausfälle sein werden. Elf Kantone haben ihre Steuerausfälle bis heute berechnet, die Summe beträgt 2,7 Milliarden Franken. Da die Umsetzung von 15 Kantonen aber noch nicht bekannt ist, ist es sicher nicht übertrieben von einem Drei-Milliarden-Loch zu sprechen. Diese Löcher in den Staatskassen müssen von anderen gestopft werden, nämlich von der Bevölkerung durch Leistungsabbau und Steuererhöhung. Eine seriöse Hochrechnung des SGB-Chefökonomen Daniel Lampart beziffert die Zusatzbelastung auf tausend Franken pro Jahr und Haushalt.
Die neuen Steuerprivilegien sind undurchsichtig und nicht kalkulierbar, deshalb könnten die Ausfälle noch viel höher sein. Das undurchsichtigste der vier neuen Steuerprivilegien ist nämlich der sogenannte zinsbereinigte Gewinn. Den Unternehmen wird erlaubt, ihr Vermögen wie eine Schuld zu behandeln. Sie dürfen nicht nur die Zinsen für aufgenommenes Fremdkapital in Abzug bringen, die sie effektiv bezahlt haben; sie dürfen auch einen fiktiven Zins auf ihrem Eigenkapital abziehen. Dieses Steuervermeidungsinstrument ist in seinen Konsequenzen derart unabsehbar, dass es in der Vernehmlassung 21 Kantone abgelehnt haben. Es wurde erst am Schluss der parlamentarischen Beratungen wegen des intensiven Lobbyings von Steueroptimierungsfirmen wie Ernst & Young ins Gesetz gehievt und von Bundesrat sowie Ständerat klar abgelehnt. Das Beispiel Belgien zeigt, dass dadurch gewaltige Schäden verursacht werden können. Bei der Einführung der zinsbereinigten Gewinnsteuer wurde mit rund 500 Millionen Euro Steuerausfällen gerechnet, tatsächlich sind es 5 Milliarden geworden.
Uns wird unterstellt, wir hätten vergessen, dass Kantone wie Schaffhausen durch den Strukturwandel viele Arbeitsplätze verloren haben. Das Gegenteil ist der Fall. Weil diese Erfahrung bei uns noch sehr wach ist, möchten wir ein neues Klumpenrisiko, das auf hochmobiles Steuersubstrat setzt, vermeiden. Die Standortattraktivität der Schweiz würde durch Sparprogramme bei Bildung und Infrastruktur massiv gefährdet. Die Schweiz gehört weltweit zu den steuergünstigsten Standorten. Ein Nein zu dieser Steuerreform wird nicht zur Abwanderung der privilegierten ausländischen Unternehmen führen, weil die bisherigen, für sie äusserst vorteilhaften Steuerregimes ja weiter in Kraft bleiben.
Es wird zu einer Überarbeitung des Gesetzes kommen mit drei zentralen strategischen Inhalten, die wir unterstützen:
- Steuerliche Gleichbehandlung aller Unternehmen.
- Die Schweizer Kantone bleiben international konkurrenzfähige Standorte.
- Die Steuerausfälle werden durch geeignete Massnahmen gegenfinanziert.
Der Bundesrat hat genau mit diesem Eckpunkten die Vorlage zur USR III ausgearbeitet. Die Kantone waren damit einverstanden. Das Parlament hat diese Vorlage aber kompromisslos mit schamlosen Steuervermeidungsinstrumenten angereichert und die Gegenfinanzierungen aus dem Gesetz entfernt. Die «Big Four» wie die grossen vier Wirtschaftsprüfungsgesellschaften heissen, zu denen auch Ernst&Young gehört, sind nicht nur Profis bei der Steuerberatung, sie wissen auch wie auf das Parlament Einfluss zu nehmen. Mit einem Nein zur USR III machen wir den Weg frei für eine ausgeglichene und fair finanzierte Unternehmenssteuerreform.