Die Volksinitiative des Bauernverbandes will unter dem Deckmantel der Ernährungssicherheit das Rad der Agrarpolitik 2014-2017 zurückdrehen. Im Text steht keine Forderung, die nicht bereits in der Verfassung steht oder im Gesetz geregelt ist. Die Initiative ist deshalb ein Selbstbedienungsladen für unzufriedene Bäuerinnen und Bauern. Sie wird von allen so interpretiert, wie es gerade gefällt.
Offen wird in der Initiative verlangt, den Selbstversorgungsgrad zu erhöhen, gleichzeitig die Biodiversitätsbeiträge zu senken und die Landschaftsqualitätsbeiträge wieder abzuschaffen. Das, liebe Bauernlobby, heisst nichts anderes, als die Errungenschaften der Agrarpolitik 2014-2017 wieder rückgängig zu machen. Die Bauern wollen eine intensivere Landwirtschaft mit hohem Dünger- sowie Pestizideinsatz und mehr Futtermittelimporten. Tatsache ist, dass in der Schweiz noch nie so viele Kalorien produziert wurden wie heute.
Die Mehrheit der Bevölkerung will das nicht, sie steht zu einer vielfältigen Landwirtschaft. Sie will gesunde Nahrungsmittel, produziert im Einklang mit der Umwelt. Die Anliegen der Bevölkerung müssen in der Landwirtschaftspolitik abgebildet sein. Immerhin wird durchschnittlich jeder Betrieb mit rund 60‘000 Franken Direktzahlungen pro Jahr subventioniert. Damit werden auch die Leistungen für die Erhaltung der Biodiversität, für die Landschaftspflege und den Ressourcenschutz entschädigt. Eine Senkung oder Abschaffung der Biodiversitäts- und Landschaftsqualitätsbeiträge steht im Widerspruch zu den Anliegen der Bevölkerung.
Die Kleinbauern-Vereinigung lehnt die Initiative klar ab, weil sie nicht Familienbetriebe, sondern einzig die Intensivlandwirtschaft zusätzlich fördern will.
Die Subventionen sollen Familienbetrieben ein faires Einkommen garantieren. Rekordgewinne für Grossbetriebe können nicht das Ziel sein. Das aber will diese Initiative. Es stehen deshalb nicht alle Bauernorganisationen dahinter. Die Kleinbauern-Vereinigung jedenfalls lehnt die Initiative klar ab, weil sie nicht Familienbetriebe, sondern einzig die Intensivlandwirtschaft zusätzlich fördern will.
Auch die Forderung der Initiative nach einem höheren Selbstversorgungsgrad für Nahrungsmittel hilft weder der vielfältigen Landwirtschaft noch den Familienbetrieben. Der Selbstversorgungsgrad ist seit Jahrzehnten stabil bei rund 60 Prozent, und das trotz massiv gestiegener Bevölkerungszahl und trotz Abnahme der besten Ackerböden als Folge der intensiven Bautätigkeit und Bodenspekulation – auch von Bauland-Landwirten. Das alles zeugt von einer bereits heute hohen Produktivität, die nur durch Intensivierung und Technik möglich wurde.
Die Initiative will die Intensivierung weiter vorantreiben. Wir haben aber bereits die höchste Nutztierdichte aller umliegenden Länder. Beim Stickstoffeintrag und Phosphoreinsatz pro Fläche besetzen wir sogar einen Spitzenplatz. Das alles ruft nach hohen Importen nach Futtermitteln und Treibstoffen.
Die Schweizer Landwirtschaft ist vielfältig, ökologisch und sichert das Überleben von Familienbetrieben.
Das ist aber nicht die Schweizer Landwirtschaft der Zukunft. Die Schweizer Landwirtschaft ist vielfältig, ökologisch und sichert das Überleben von Familienbetrieben. Noch etwas: Die Initiative plädiert für mehr Kulturlandschutz. Da sind wir uns einig, auf den besten Böden muss die Landwirtschaft Vorrang haben. Dieses Thema regeln wir aber über das Raumplanungsgesetz. Warum war die SVP im Jahr 2013 gegen das Raumplanungsgesetz? Vermutlich weil es halt noch immer viele Bauland-Bauern mit Spekulationsabsichten gibt. Mit einer griffigen und zügigen Umsetzung des Raumplanungsgesetzes in den Kantonen wäre dem Kulturland am meisten geholfen. Dagegen stemmen sich ausgerechnet viele Initianten der Initiative «für Ernährungssicherheit».
Sagen Sie deshalb Nein zu diesem Wolf im Subventionspelz!
Votum von Nationalrätin Martina Munz in der Nationalratsdebatte vom 9. März 2016