Sessionsbericht von Nayionalrätin Martina Munz – Herbstsession 2014 des Nationalrats
Doppelmoral prägt den Beginn der Herbstsession. Ist der Geri im Saal? Zeigt er sich im Bad der Politik? Ja, er tut es, wirkt geknickt, leidet unter seinem Fehltritt. Politisch sei Geri wohl am Ende, so der Tenor. Gleichzeitig werden die Offshore-Verlagerungen der Ammann-Gruppe heiss diskutiert. Der frühere Firmenchef Bundesrat Schneider Ammann dazu: „Steuern optimieren ist schweizerisch!“ Immerhin würden dadurch Arbeitsplätze gesichert. Blick zurück: Filippo Lombardi wurde sieben Mal der Fahrausweis entzogen. Alles nur Kavaliersdelikte? Offenbar, denn beide Männer erlangten dennoch höchste Schweizer Ämter. Steuern am Staat vorbeischmuggeln schädigt das Volk, wird aber als „clever“ toleriert. Fahren in angetrunkenem Zustand gefährdet Menschenleben, wird aber als besonders „männlich“ oder „cool“ taxiert. Wer setzt die Massstäbe für diese unterschiedliche Moral?
Chance für Tagesschulen jetzt nutzen
Mit 120 Mio. Franken wurde die Anschubfinanzierung für Kindertagesstätten nochmals verlängert. Initiiert wurde dieses Erfolgsmodell durch die SP. Jetzt ging es einzig um die Ver-längerung. Diese war umstritten, obschon jeder in diese Massnahme investierte Franken drei- bis vierfach an den Staat zurückfliesst. Die Anschubfinanzierung dauert nur noch vier Jahre. Schaffhausen darf diesen Zug, trotz Sparprogrammen, nicht verpassen.
Initiative bringt Krankenkassenlobby zum Einlenken
Die 61 Krankenkassen lassen sich nur ungern beaufsichtigen. Die Entschädigungen von Verwaltungsrat und Geschäftsführung sind nicht transparent, zu hoch angesetzte Prämien können nicht korrigiert werden. Die Vorlage zur Krankenkassenaufsicht fand im Nationalrat zähneknirschend Zustimmung. Man wollte der Initiative für eine öffentliche Krankenkasse keine zusätzlichen Argumente in die Hände spielen. Die Initiative hat damit einem wichti-gen Gesetz zum Durchbruch verholfen. Es handelt sich aber nur um einen lauen Kompromiss. Nebst vielen Abschwächungen wurde auch bezüglich der lästigen Werbeanrufe be-schlossen, die Branche solle das Problem doch selber lösen.
Hochpreisinsel: Viele Hunde sind des Hasen Tod
Importprodukte, in denen keine Schweizer Arbeit steckt, sollten zu Konditionen wie im Ausland importiert werden können. Damit würde der Einkaufstourismus weniger lukrativ. Der Nationalrat ist aber erneut nicht auf die Revision eingetreten. Damit ist sie vom Tisch. Die Schweiz bleibt also Hochpreisinsel. Wenn es als „schweizerisch“ gilt, Steuern im Ausland zu optimieren, mit welchen Argumenten sollen dann die Konsumentinnen und Konsu-menten überzeugt werden, dass Einkaufstourismus „unschweizerisch“ sein soll?
Das Gesetz wurde versenkt. 97 Firmen – von Anwaltskanzlei bis Zahnbedarf – haben ihre Logos auf acht A4-Seiten geklatscht und damit offenbart, wer von dieser Hochpreisinsel zehrt. Die SP-Fraktion war sich uneinig. Grund waren unter anderem viele Liberalisierungstendenzen, die den Gewerkschaften nicht passten. Sie befürchteten Lohndruck und den Verlust ihrer Mitsprache in der Wettbewerbskommission. Jetzt versucht die SP das Thema Hochpreisinsel über eine Motion nochmals aufzugreifen.
Gefährliche Tendenz: Bundesrecht über das Völkerrecht stellen?
„Hallauer Recht bricht Bundesrecht“- mit diesem Slogan hat Hallau schon öfters für populistische Schenkelklopfer gesorgt. Mit drei analogen parlamentarischen Vorstössen auf eid-genössischer Ebene versuchte die SVP das Völkerrecht abzuwerten. Ein Ausschluss aus dem Europarat wäre unter anderem die Folge. Der Nationalrat hat diese Vorstösse versenkt. Würde man das Volk dazu befragen, dann wäre der Ausgang der Abstimmung allerdings ungewiss. Das wissen die Initianten und führen uns damit weiter in eine selbstgefällige Isolation. Hüten wir uns vor solch gefährlichen Tendenzen!