Forumsbeitrag von Martina Munz, Nationalrätin – Der Rheinfall ist der mächtigste Wasserfall Europas. Er ist das Wahrzeichen unserer Region und gehört zum Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN). Ein Kongress- und Kulturzentrum sei im BLN-Gebiet nicht möglich, ein neues Kraftwerk am Rheinfall aber schon, fand die Regierung. Man möchte meinen, da habe die „Loreley“ mit ihren goldenen Locken auf einem der beiden Rheinfallfelsen gesessen und Exekutive und Legislative unseres Kantons in ihren Bann gezogen.
In vorauseilendem Gehorsam hat der Kantonrat dem Wasserwirtschaftsgesetz die unliebsamen Zähne gezogen. Es sind jene Zähne, die bisher dafür sorgten, dass der Rhein als Naturlandschaft erhalten bleibt. Persönlich bin ich gegen diesen Beschluss zur Änderung des Wasserwirtschaftsgesetzes, meine Gründe dazu sind vielschichtig:
Der Kanton lancierte eine Gesetzesänderung mit dem Argument „Höherstau des Rheins – für eine bessere Nutzung des bestehenden Kraftwerks Schaffhausen“, um darin gleichzeitig die Möglichkeit für ein neues Rheinfallkraftwerk zu verstecken. Das schürt Misstrauen, ist intransparentes, kantonales Lobbying mit „freier Bahn“ für die Axpo und ein falsch aufgegleister Planungsprozess.
Der Stromriese verlangt anscheinend Planungssicherheit. Statt einer „Carte Blanche“ an die Axpo zu erteilen, erwarte ich ein bewilligungsfähiges Vorprojekt. Erst in diesem Zeitpunkt ist eine Vorlage zur Änderung des Wasserwirtschaftsgesetzes angezeigt. Nur so kaufen wir nicht die Katze im Sack! Das ist weder zeitlich noch finanziell für die Axpo ein Problem. Ich gehe davon aus, dass ein Projekt, das die Hürde einer Volksabstimmung nehmen muss, ein besseres Projekt sein wird. Ich würde nicht ausschliessen, dass ich einem ausgewogenen, guten und auch von Kritikern geprüften Projekt zustimmen könnte. Erst recht wird dadurch die Planungssicherheit um ein Vielfaches erhöht.
Die Symbolkraft des Rheinfalls ist eindrücklich. Was wäre der Schaffhauser Tourismus ohne Rheinfall. Die meisten Flüsse und auch kleineren Gewässer werden bereits stark genutzt. Es verbleiben nur wenige frei fliessende und naturbelassene Strecken. Es wäre fatal, diese kurze Strecke am Rheinfall auch noch zu stören. Hier soll sich nichts ändern – jedenfalls nicht ohne zu wissen, was wir uns damit einhandeln. Nachts oder bei schlechtem Wetter den Rheinfall zu zähmen, um ihn als Touristenattraktion kurzfristig wieder zur Schau zu stellen, ist nichts anderes als eine „Water-peep-show“. Müssten wir nicht vielmehr dafür sorgen, den Rheinfall ins Unesco-Weltkulturerbe aufzunehmen? Die Idee eines gut in die Landschaft eingepassten Kultur- und Kongresszentrums an diesem Kraftort Rheinfall wäre meines Erachtens erneut zu prüfen. Seine Wertschöpfung für die Region Schaffhausen könnte verlockend sein.
Zurück zum Prozess. Das Vorgehen der Regierung verzögert die Energiewende und erzeugt Konfliktpotential. Innerhalb des Zeitraum für Abklärungen, Gutachten, Verhandlungen, Abstimmungen und Rekursen wird keine einzige
Kilowattstunde zugebaut. Statt Zeit und Geld für schier unbezwingbare Hürden zu verwenden, sollten sich die Energiekonzerne nun endlich erneuerbaren Energien zuwenden, die mehr Erfolg versprechen. Beginnen wir mit Unbestrittenem. Füllen wir Industriedächer, Schulhausdächer und Scheunen mit Photovoltaik. Stellen wir die Elektroheizungen ab und nutzen wir die Erdwärme. Investieren wir in energieeffiziente Neubauten. Das Potential ist gross, beissen wir uns nicht die Zähne aus mit umstrittenen Projekten. Unser Wahrzeichen und Naturwunder Rheinfall aber verdient unseren Respekt. Lassen wir uns nicht verführen – auch nicht von der „Loreley“!
8.12.2013, Martina Munz