Von SP-Kantonsrat Werner Bächtold – Einleitend möchte ich einen ganz zentralen Punkt festhalten: Auch die SP-Juso Fraktion ist für einen sorgsamen und effizienten Umgang mit den Finanzen und somit gegen die Verschwendung von Steuergeldern. Wir sind auch der Meinung, der effiziente Umgang mit den Finanzen und die Überprüfung der staatlichen Dienstleistungen hinsichtlich ihrer Wirkung sei eine Daueraufgabe von Regierung und Verwaltung. Das haben wir vorgestern an unserer Fraktionsklausur noch einmal ganz klar und einstimmig festgehalten. Nun stehen wir vor einer schwierigen Phase, indem wir ein wachsendes Delta zwischen Einnahmen und Ausgaben haben. Woher das Delta kommt, ist umstritten. Wir sagen, das habe mit übertriebenen Steuergeschenken im letzten Jahrzehnt zu tun, die Regierung und mit ihr die bürgerliche Mehrheit in diesem Rat sieht die Ursache bei wegbrechenden unbeeinflussbaren Einnahmen. Wahrscheinlich ist es wie meist im Leben: Die Wahrheit wird irgendwo zwischen den Polen liegen. Was wir sicher wissen, und was auch nicht wirklich bestritten werden kann: Während der Steuersenkungsjahre wurde viel zu wenig Geld in die Erneuerung und den Unterhalt unserer Infrastruktur investiert. Diese Unterlassung holt uns nun zusätzlich ein und macht die finanzielle Lage noch ungemütlicher!
An dieser Stelle erlauben Sie mir einen kleinen Exkurs. Am nahen Horizont droht dem Staatshaushalt auch noch eine Steuersenkungsinitiative, welche, wenn sie angenommen würde, die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben noch einmal massiv erhöhen würde. Lange standen die Jungfreisinnigen mit dieser Steuersenkungsinitiative à la Rasenmäher allein da, seit letzter Woche wird sie etwas überraschend auch von der Mutterpartei FDP unterstützt. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Annahme dieser Abbruchinitiative. Nebenbei bemerkt: Die Freisinnigen verabschieden sich damit endgültig von ihrer einstigen Rolle als staatstragende und in der Gesamtverantwortung stehende Partei. Sie können aber – und das ist noch gravierender – in Finanzfragen künftig nicht mehr ernst genommen werden!
Jetzt aber zurück zu ESH3. Angesichts der drohenden Schulden hat die Regierung rasch reagiert. Sie hat ihre Steuersenkungspläne schnell aufs Eis gelegt und ein Sparpaket geschnürt. Beides halten wir für richtig und wir anerkennen, dass die Regierung und die Verwaltung innert kürzester Zeit im Projekt ESH3 neben dem Alltagsgeschäft eine grosse Leistung erbracht. Weil wir einsehen, dass zur Genesung der Staatsfinanzen eine Operation notwendig ist, wird die SP-Juso Fraktion auf die Vorlage eintreten.
Damit hat sich die Friede – Freude – Eierkuchen – Stimmung erschöpft. Wenn wir ESH3 analysieren, sehen wir bei den durch die Regierung beschlossenen 74 Einzelmassnahmen einen Flickenteppich von Sinnvollem, vollständigem Unsinn und Massnahmen, die nicht in ESH3 gehören. Um zu illustrieren, was ich meine, mache ich drei Beispiele, welche exemplarisch aufzeigen, was gemeint ist:
- Massnahme 45. Bei der Reduktion des Strassenunterhalts hätte man ruhig noch weiter als die vorgesehenen Fr. 100‘000 gehen können à sinnvoll
- Massnahme 24. Eine Anhebung der Aufnahmebedingungen für das Berufsvorbereitungsjahr ist nicht gespart, sondern bringt eine Kostenumlagerung in andere Institutionen. Die betroffenen Jugendlichen verschwinden mit dieser Massnahme nicht vom Erdboden, sondern sie werden ein anderes Bildungsangebot nutzen à Unsinn
- Massnahme 22. Die Erhöhung des Bundesbeitrages an die Berufsbildung um 1‘000’000 kommt unabhängig von ESH3. Wir sehen nicht, was dieser Betrag in der Vorlage zu suchen hat. Genauso gut hätte man den Gewinnanteil der Nationalbank, der überraschend wieder in die Staatskasse fliesst, als Massnahme 75 einbringen können.
Wir erkennen keinen roten Faden, wir vermissen eine Strategie. Anstatt gemeinsam im Dreieck Regierung, Kantonsrat Verwaltung Leistungen zu definieren, auf die man künftig verzichten kann, haben wir ein willkürlich zusammengestelltes Streichkonzert vor uns!
Neben diesen 74 Einzelmassnahmen, zu denen wir bekanntlich nichts zu sagen haben, finden sich auch sechs Gesetzesänderungen, zu denen wir sehr viel zu sagen haben. Nebenbemerkung: in der Bevölkerung wird nicht verstanden, warum bei den 74 Massnahmen niemand korrigierend eingreifen kann. Indem die Spezialkommission diese Gesetzesänderungen von der Vorlage abgetrennt hat, hat sie aus unserer Sicht die einzige positive Tat vollbracht. Die vertiefte Diskussion über die betroffenen Gesetze werden wir in der Detailberatung führen. Vorerst nur so viel: Dass man den Landeskirchen und den Musikschulen die massive Reduktion der Staatsbeiträge einfach so um die Ohren haut, ohne mit diesen langjährigen Partnern vorgängig das Gespräch zu suchen, halten wir für ganz schlechten Stil. Die Reaktionen sind entsprechend. Dass die Kürzung der Musikschulbeiträge zeitgleich mit der deutlichen Zustimmung der Bevölkerung zum Musikförderartikel in der Bundesverfassung verfügt werden soll, halten wir für einen unerträglichen Fauxpas der Regierung! Offenbar wird hier das Ziel verfolgt, so schnell als möglich an die nationale Spitze zu gelangen! Welcher Unsinn die Kürzung der Kirchenbeiträge darstellt, werden wir ebenfalls bei der Detailberatung zu diskutieren haben.
In der Vorlage steht es, und die Finanzdirektion hat es mehrmals betont: ESH3 soll für die Gemeinden kostenneutral sein. Leider stimmt das nicht. Das führt dazu, dass das Alters- und Pflegegesetz nicht in der vorgeschlagenen Form bewilligt werden kann.
Fazit: Die ganze Vorlage wurde zwar mit einem grossen Aufwand an Zeit und Energie erstellt. Das anerkennen wir. Was ihr aber fehlt, ist die Kohärenz und die Strategie. Das hat mit einem Mangel zu tun, den sich die Regierung mit dem Entscheid eingebrockt hat, die Vorlage verwaltungsintern zu entwickeln. Es wurde gänzlich auf einen Blick von aussen verzichtet! Das merkt man der Vorlage leider von vorne bis hinten an. Aus diesem Grund werden wir nach der Eintretensdebatte einen Rückweisungsantrag stellen. Die Vorlage erfordert dringend eine gründliche Überarbeitung.
Die Kommissionsarbeit war in mehr als einer Hinsicht ziemlich frustrierend. Über die unverständliche Verzögerung habe ich bereits anlässlich der Beratung des Staatsvoranschlags 13 gesprochen. Das wiederhole ich nicht. Aber leider war die ganze Kommissionsarbeit verlorene Liebesmühe und reine Zeitverschwendung. Da standen sich zwei Lager gegenüber, die gar keine Gemeinsamkeiten gefunden haben. Kompromissbereitschaft war auch keine spürbar. Es hat ein kalter Wind geweht und es wurde überdeutlich, worum es der bürgerlichen Kommissionsmehrheit eigentlich geht. Den Staatshaushalt so schnell als möglich koste es was es wolle, und ohne Rücksicht auf Verlust wieder einigermassen ins Lot bringen, um sich dann wieder in den ruinösen interkantonalen Steuersenkungswettbewerb einklinken zu können. Eine sachliche Diskussion über allfällige moderate Steuererhöhungen wurde – anders als in anderen Kantonen – im Keime erstickt. Weiter hat sich die gleiche Posse wiederholt, welche wir jährlich bei der Diskussion des Staatsvoranschlags erleben. Vollmundig wurde behauptet, da sei immer noch viel Luft und es müssten weitere substantielle Kürzungen vorgenommen werden. Man hat sich von der Regierung das ganze Dossier mit all den Hunderten von Sparmassnahmen, die im Rahmen von ESH3 geprüft, aber verworfen wurden vorlegen lassen. Gefunden wurde keine weitere taugliche Sparmassnahme, eine eigene konstruktive Idee hatte auch niemand. Das hat die Kommissionsmehrheit nicht daran gehindert, mittels einer Erklärung die Regierung zu verpflichten, weitere 1.6 Mio. einzusparen. Wie gesagt, eine Provinzposse! Den Antrag, der Regierung gleich ESH4 mit weiteren 10 Mio. aufs Auge zu drücken, wurde knapp abgelehnt, wohl weil es sogar einigen Bürgerlichen in der Kommission gedämmert hat, dass ein solches Vorgehen unseriös ist. Niemand kann heute voraussagen, wie die Finanzen unseres Kantons nach Abschluss von ESH3 in ein paar Jahren aussehen werden.
18. Februar 2013, Werner Bächtold
Begründung Rückweisungsantrag ESH3 SP/Juso-Fraktion
Die SP-Juso-Fraktion stellt den Rückweisungsantrag. Auch sind wir bereit den Staatshaushalt auf mögliche Sparanstrengungen auszuloten. Wir schliessen uns auch der Einschätzung an, dass man alle paar Jahre die staatlichen Leistungen überprüfen, Optimierungspotenzial ausloten und alte Zöpfe abschneiden muss. Aber …
Für uns sind sechs Gründe entscheidend für den Rückweisungsantrag:
- 1. Vorgehensweise der Regierung
Die Regierung hat das Sparprogramm im stillen Kämmerlein entworfen. Die Regierung hat bewusst mit den betroffenen Institutionen das Gespräch nicht gesucht. Das sind alles Institutionen, die seit Jahren wichtige Dienstleistungen für unsere Gesellschaft übernehmen und mit dem Kanton gut zusammenarbeiten. Einzelne dieser Institutionen sind von den Sparvorhaben massiv betroffen und teilweise sogar in ihrer Existenz gefährdet. Nicht einmal die GPK wurde in den Prozess involviert. Beim Kahlschlag am Energieförderprogramm hat die Regierung das gleiche Vorgehen gewählt. Ist das der neue Stil?
So geht das nicht! Da fehlt es ganz grundsätzlich an der nötigen Wertschätzung! Ich denke an Institutionen wie die Musikschule und das Lindenforum, aber auch an die Kirchen. Die Beiträge an die Kirchen werden um 25% gekürzt! Berücksichtigen wir, dass die Indexierung aufgehoben wird – aus meiner Sicht ein weiterer fauler Trick – dann werden die Gelder bis in ein paar Jahren halbiert sein. Früher oder später betroffen sein werden unter anderem der Verein für Jugendprobleme und Suchtmittelfragen, Benevol, Beratungsstelle für Partnerschaft und Schwangerschaft, Telefonseelsorge, Frauenzentrale, Aids-Hilfe und Teddybär. Ich frage die Regierung: Wer übernimmt in Zukunft diese wichtigen Aufgaben? Wird die Regierung dafür zusätzliche Budgetpositionen in die Staatsrechnung aufnehmen? Ich konnte in der Vorlage von solchen Überlegungen nichts lesen. Hat die Regierung das Gefühl, dass diese Aufgaben alle überflüssig sind?
Wir verlangen von der Regierung, dass sie mit den betroffenen Institutionen Verhandlungen führt und weitgehend einvernehmliche Sparanträge stellt.
- 2. Die Regierung schmückt sich mit fremdem Federn
Wer bestimmt den Bundesbeitrag an die Berufsbildung? Der Bund – und nicht der Kanton. Diese zusätzliche Million ist kein Sparbeitrag und auch nicht der Verdienst der Regierung. Weiter werden Justizgebühren erhöht, die in der Regel gar nicht eingetrieben werden können. Auch dies reine Kosmetik.
Wir verlangen von der Regierung, dass sie in einem Sparpaket aus Transparenzgründen nur echte Sparanstrengungen aufführt.
- 3. Die Opfersymmetrie ist nicht gegeben.
Das Erziehungsdepartement und das Departement des Innern müssen schwer bluten. Gesundheit und Bildung sind aber für die Lebensqualität der Bevölkerung entscheidend. Bau, Volkswirtschaft und Finanzdepartement kommen relativ ungeschoren davon.
Im Strassenbau ist der Sparbetrag 100‘000 Franken, beim ÖV 1.5 Millionen Franken. Der Verzicht von Tariferleichterungen geht voll zu Lasten der ÖV-Benutzer. Wir verlangen von der Regierung eine bessere Opfersymmetrie.
- 4. Versprochene Kostenneutralität für die Gemeinden ist nicht gegeben
Im Altersbetreuungs- und Pflegegesetz wird der Schlüssel für die Erstattung der anrechenbaren Aufwendungen von 50% auf 42% gesenkt und das obwohl die Gemeinden tendenziell durch die Prämienverbilligung zusätzlich belastet werden. Die Regierung ist aufgefordert auf diese Gesetzesänderung zu verzichten.
- 5. Gebühren belasten Familien, Rentner und den Mittelstand
Die Vorlage ist gespickt mit Gebührenerhöhungen in der Höhe von insgesamt fast 2 Millionen Franken. Gebühren belasten Ottonormalverbraucher viel stärker als vermögende Personen. Es ist zynisch von der Finanzdirektorin zu bemerken, man könne ja auf die Leistung verzichten! Insbesondere Familien werden durch Gebührenerhöhungen stark belastet. Wir fordern die Regierung auf, auf unsoziale Gebührenerhöhungen zu verzichten.
6. Nein zum Bildungsabbau
Wie kurzfristig gedacht sind doch die Massnahmen, die den Bildungsabbau betreffen! Wer meint beim Berufsvorbereitungsjahr könne gespart werden, wird später diese Kosten doppelt bis dreifach bezahlen! Der Kanton muss alles unternehmen, Jugendliche in die Gesellschaft einzugliedern! Die Anhebung der Aufnahmebedingungen im BVJ wird ein Bumerang sein. Die Begründung, es handle sich lediglich um Anforderungen mit Bezug auf die Motivation mag nicht zu beruhigen. Genau die weniger Motivierten sind es, die Unterstützung brauchen!
Warum will man das Lindenforum in seiner Existenz gefährden bzw. nur noch für privilegierte Jugendliche zugänglich machen? Ausgerechnet eine Schule, die mit Kreativität Jugendliche motivierte. Für den Kanton war das eine kostengünstige Lösung! Leider hat das Lindenforum keine Lobby wie die International School und verliert jetzt auch die Unterstützung des Kantons. Die Internation Scholl wurde aus dem Wirtschaftsföderungstopf grosszügig unterstützt, obwohl ihre Klientel zahlungskräftig ist.
An der Kantonsschule wird ein versteckter Numerus Clausus eingeführt. Auch im kleinen Paradies sitzen in der Kanti nicht nur Engel! Mit einer 30-er Klasse können sie heute nicht mehr unterrichten, abgesehen davon, dass die Schulräume nicht für 30 Lernende eingerichtet sind. Was ist die Folge? Es fliegen einfach nach der Probezeit fünf Schülerinnen und Schüler zusätzlich aus der Klasse, damit eine vernünftige Klassengrösse entsteht. Ist es sinnvoll, wenn wir unseren Jugendlichen Chancen verbauen?
Zu Guter Letzt: wir sind schockiert, dass fortschrittliche Schulmodelle, wie die zweisprachige Matura geopfert werden sollen. Wollen wir wirklich die Kanti zur Provinzschule verkommen lasse? Ist das nun aktives Standortmarketing für das Kleine Paradies? Oder versteckt sich in diesem Sparantrag gar eine Aufforderung an die Vermögenden ihre Kinder an die International School zu schicken?
Sparen wir da nicht am falschen Ort? Verzichten wir auf teures Wohnort- und Standortmarketing und setzen dieses Geld für die zweisprachige Matura ein! Das wäre letztlich der logischere Weg.
Bezüglich Musikschule muss ich unsere Empörung wohl nicht noch weiter erläutern. Wir verlangen von der Regierung ein Sparpaket ohne Bildungsabbau.
Wir weisen die Buchstabenseuche ESH3 an die Regierung zurück.
18.2.2013 Martina Munz