Mit dem Mut von 1848

Rede zum 1. August 2012: Mit dem Mut von 1848 von Christian Levrat, Ständerat FR, Präsident der SP Schweiz 01.08.2012 –
Die Schweizer Bevölkerung wächst rasch. Die wirtschaftliche Entwicklung konzentriert sich auf einige Agglomerationen. Und dieses Wachstum schafft ein gewisses Unbehagen. Die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt nimmt zu. Die Wohnungssuche wird schwieriger. Wir werden konfrontiert mit vollen öffentlichen Verkehrsmitteln, verstopften Strassen und überfüllten Schulen.
Es ist eine Zumutung, wenn wenige unseren Wohlstand für sich alleine beanspruchen. Das ganze Jahr hindurch kämpfen wir dafür, dass alle vom wirtschaftlichen Wachstum profitieren und nicht bloss ein paar Spekulanten und skrupellose Unternehmer. Nicht das Bevölkerungswachstum ist der Grund für das vorherrschende Unbehagen. Es ist vielmehr das Gefühl, das Wirtschaftswachstum finde auf Kosten der grossen Mehrheit in unserem Land statt. Darauf müssen wir eine Antwort finden. Wir müssen uns noch stärker dafür engagieren, dass die Früchte unserer Arbeit gerecht verteilt werden. Indem wir den Zusammenhalt unserer Gemeinschaft festigen, stärken wir auch das Gefühl, einer solidarischen Gesellschaft anzugehören, unserem Land, der Schweiz.
Erlauben Sie mir, dass ich mich an diesem Festtag wiederhole: Unser Land ist in erster Linie eine Gemeinschaft. Es ist eine Schicksalsgemeinschaft und eine Lebensgemeinschaft. Unser Heimatland ist nicht ein erstarrtes vergangenes Gebilde wie in unseren Geschichtsbüchern. Es ist eine lebendige Pflanze, die von allen Einwohnerinnen und Einwohnern täglich Pflege verlangt – von jenen, die hier geboren wurden, wie auch von jenen, die zu uns gezogen sind. Unsere Heimat gründet auf der Überzeugung, dass niemand am Wegrand liegen gelassen wird und dass jede und jeder unabhängig von der eigenen Lebensgeschichte seinen Platz in der Gemeinschaft finden und behaupten kann.
Bulle, wo wir heute sind, gehört zu den Agglomerationen unseres Landes, die in den letzten Jahren am schnellsten gewachsen sind. Bulle ist aber auch eine Gegend mit einer reichen Tradition. Ich bin überzeugt: Unsere Traditionen bleiben nur dann lebendig, wenn wir es schaffen, die Neuankommenden darin zu integrieren. Nur wenn unsere Traditionen die kulturellen Beiträge der Migrantinnen und Migranten einfliessen lassen, werden sie fortbestehen. Unsere Vergangenheit muss in Einklang kommen mit den multikulturellen Realitäten von heute.
Setzen wir gerade am Nationalfeiertag der Versuchung uns abzuschotten den Mut entgegen, den die Gründer der Schweiz 1848 gezeigt haben. Öffnen wir unsere Gesellschaft, unsere Institutionen, unsere Traditionen für all jene, die mit uns zusammen die Schweiz des 21. Jahrhunderts aufbauen.
Ich wünsche Ihnen allen ein schönen 1. August!

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