Nationalrat Hans-Jürg Fehr über die Hintergründe zur „Affäre Hildebrand“. –
Philipp Hildebrand ist über unzulässige Devisentransaktionen gestolpert, aber er ist nicht deswegen gefallen. Die Gründe für seinen Rücktritt sind nicht die Hintergründe. Der abgetretene Nationalbankpräsident ist das Opfer jener mächtigen Generation Abzocker im Umfeld der Schweizer Grossbanken, denen er zu sehr ins Gehege kam. Hildebrand und sein Team haben die UBS nicht nur vor dem Untergang gerettet, sie haben immer auch mit der gebotenen Deutlichkeit gesagt, was sie vom gescheiterten Topmanagement hielten – dass es nämlich aus überbezahlten Nieten bestand. Das tat den zum Rücktritt genötigten Herren natürlich weh, und von diesem Moment an begann die Operation Rache zu laufen. Hildebrand und sein Team haben im Gegensatz zu den unbelehrbaren Chefs der Grossbanken die Konsequenzen aus dem Mega-Crash der Finanzplätze gezogen und für Regulierungen plädiert, die eine Wiederholung solch katastrophaler Abstürze verunmöglichen sollten. Sie haben nicht nur dafür plädiert, sondern sich auf nationaler wie internationaler Ebene aktiv und erfolgreich für strengere Regulierungen eingesetzt. Sie haben den Herren die Weste zu getan. Sie erschwerten ihnen das Spekulieren mit fremdem Geld, das ihnen ihre gigantischen Boni bescherte. Es gab zum Beispiel während der ganzen Zeit, in der die Politik in der Schweiz mit Unterstützung der SNB an einem Gesetz arbeitete, das die Grossbanken zu einem Verhalten zwingt, das ihnen widerstrebt, hinter den Kulissen anhaltend heftigen Widerstand von eben diesen Kreisen. Für sie war Hildebrand der Mann, der ihren früher übergrossen Einfluss auf die bürgerlichen Fraktionen des Parlaments so zurückstutzte, dass das Gesetz durchkam. Die einzige Fraktion, die der Grossfinanz treu blieb und das Gesetz ablehnte, war die SVP. Aus ihren Reihen stammen logischerweise all die Männer, die Jagd auf Hildebrand machten. Sie hatten es ein Jahr zuvor schon mit einer über mehrere Woche geführten Schmutzkampagne ihres Hoforgans „Weltwoche“ versucht. Das damalige Scheitern verstärkte den Rachedurst so sehr, dass sie sich sogar an dem von ihnen angebeteten Heiligtum Bankgeheimnis vergriffen, um nochmals zuschlagen zu können. Christoph Blocher ist der bekannteste und mächtigste Vertreter der Generation Abzocker. Seine Ankündigung, der Abschuss Hildebrands sei erst der Anfang, muss ernst genommen werden. Es geht diesen Kreisen um mehr als um Personen, es geht ihnen um die Macht in diesem Staat, die sie früher vom Paradeplatz aus so ungehindert ausüben konnten.
Beitrag für die SN vom 14. Januar 2012 zur Affäre Hildebrand
Der Triumph der Abzocker
Von Hans-Jürg Fehr
Als Oswald Grübel nach seiner Ernennung zum neuen CEO der UBS verkündete, die gescheiterte Grossbank wolle bald wieder eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent erzielen, war klar, dass es im gleichen Stil weiter gehen sollte wie vor dem Absturz. Und als letztes Jahr in London ein UBS-Banker zwei Milliarden Franken in den Sand setzte wurde klar, dass es tatsächlich im gleichen Stil weiter gegangen war. Grübel war beileibe nicht der einzige, der aus dem Beinahe-Untergang seiner Bank nichts hatte lernen wollen, er war vielmehr der typische Vertreter der Generation Abzocker, die weiter machen wollte wie vorher. Philipp Hildebrand aber wollte sie nicht weiter machen lassen. Er war weltweit eine der herausragenden Figuren beim Versuch, die schlimmsten Folgen des Versagens der Grossbanken-Manager zu lindern, und beim Versuch, mit neuen griffigen Regulierungen eine Wiederholung solcher Katastrophen zu verhindern. Hildebrand nahm nie ein Blatt vor den Mund, wenn es galt, die dramatischen Dimensionen des Zusammenbruchs der Finanzmärkte zu beschreiben, die Verantwortlichen beim Namen zu nennen und die Gründe für die Megakrise sauber und ohne falsche Rücksichtnahmen zu analysieren. Hildebrand personifizierte die Rettung der UBS mit 60 Milliarden Franken der Nationalbank und er personifizierte in erheblichem Mass auch die darauf folgende Gesetzgebung („too big to fail“). Sie verlangt den Grossbanken Strategiewechsel ab, zwingt sie zu massiver Erhöhung des Eigenkapitals und empfindlichen Renditereduktionen. Die beiden Grossbanken wehrten sich vor allem hinter den Kulissen gegen diese Politik, aber sie waren von der von ihnen mitverursachten Krise so geschwächt, dass sie sich erstmals seit sehr langer Zeit beim Bundesrat und bei den bürgerlichen Parteien nicht mehr durchsetzen konnten. Philipp Hildebrand verkörperte damit auch eine Machtverschiebung von den Teppichetagen am Zürcher Paradeplatz ins Berner Bundeshaus, von den Marktmächtigen zum Staat.
Diese Machtverschiebung soll rückgängig gemacht werden, und das funktioniert nur, wenn der starke Gegner geschwächt wird. Darum musste Hildebrand weg. Nur die SVP hatte sich bis zuletzt gegen die neuen gesetzlichen Bestimmungen gewehrt. Sie lieferte damit den Beweis ihrer engen Verfilzung mit der Grossfinanz, und einige ihrer Exponenten übernahmen die Rolle der Exekutoren (Blocher, Lei, Köppel). Die erste massive Kampagne gegen Hildebrand wurde von der „Weltwoche“ schon im Jahr 2010 gefahren als von unzulässigen Devisentransaktionen noch keine Rede war. Man glaubte Hildebrand fällen zu können, weil die Nationalbank kurzfristig im Kampf gegen den zu starken Franken erhebliche Buchverluste eingefahren hatte und deshalb als unfähig hingestellt werden konnte. Blocher und andere forderten schon damals seinen Kopf. Die Kampagne verpuffte, weil die Buchverluste bald wieder wettgemacht waren. Mit dem Beschluss der Nationalbank, den Franken-Kurs bei 1.20 zu halten, gewann Hildebrand nochmals an Ansehen in weiten Kreisen der Bevölkerung. Er war auf seinem Terrain nicht zu schlagen, also musste eine andere Schwachstelle gesucht werden. Man fand sie mit Hilfe einer kriminellen Aktion (Verletzung des Bankgeheimnisses). Phase eines der Rückeroberung der verlorenen Macht ist erfolgreich abgeschlossen. Weitere folgen.