Die Macht der Märkte brechen

Nationalrat Hans-Jürg Fehr über die südeuropäische Schuldenkrise.

Die südeuropäischen Mitgliedsländer der EU werden von hohen Schuldenbergen beinahe erdrückt. Diese Schulden haben sie teilweise selbst angehäuft durch Misswirtschaft, zu einem erheblichen Teil sind sie aber die Folge der grossen Finanzkrise, die vor vier Jahren durch die gigantischen Spekulationen der Banken ausgelöst wurde. Die kriselnden Staaten auferlegen die notwendigen Sanierungsmassnahmen ihren Angestellten durch Lohnkürzungen und Entlassungen, ihren Pensionierten durch Rentenkürzungen, ihrer Bevölkerung durch Steuererhöhungen. Die von den abzockenden Bankern versalzene Suppe hat nun also das Volk auszulöffeln. Dabei muss man nicht Volkswirtschaft studiert haben um zu wissen, dass diese Massnahmen die Krise eher verschärfen als mildern, weil sie die Kaufkraft der Bevölkerung schmälern und damit auch noch die Binnenwirtschaft schädigen.

Es ginge auch anders, und man fragt sich schon, warum ausgerechnet hier und jetzt das sonst so viel beschworene Verursacherprinzip nicht zur Anwendung gelangt (Eigenverantwortung!!!) . Die Kosten der Krisenbewältigung müssten nämlich jenen auferlegt werden, die schuld sind an den Schulden – den Spekulanten. Wie das ginge, hat das EU-Parlament berechnet und der Kommission beantragt. Das Zaubermittel heisst Finanztransaktionssteuer. Sie setzt an beim spekulativen Handel mit Wertpapieren und Devisen, dessen Volumen über 50 mal grösser ist als die reale wirtschaftliche Wertschöpfung der ganzen Welt! Sie belegt diese gigantische Summe mit einer minimalen Abgabe von 0,01 bis 0,05 Prozent und erzielt damit einen Steuerertrag von jährlich 200 Milliarden Euro allein in der EU. Weltweit wären es sogar 650 Milliarden Euro. Die Schäden in den Staatskassen wären innert weniger Jahre beseitigt, die Rentensysteme stabilisiert. Anschliessend könnten die Erträge verwendet werden für den Klimaschutz, die Entwicklungszusammenarbeit und die dringend notwendigen Investitionen in die Zukunft (Bildung, Infrastrukturen, Energiewende).

Angesichts der offenkundigen Qualität und Einfachheit dieser Sanierungsmethode bleibt die Frage, warum sie denn nicht eingesetzt wird. Die Antwort ist ebenso einfach: Weil diejenigen, die zahlen müssten, derart viel Einfluss haben auf diejenigen, die entscheiden müssten, dass nicht oder falsch entschieden wird. Die anonyme Macht der Märkte über die Politik ist viel zu gross und zu undurchsichtig. Genau dagegen protestieren die jungen Leute auf der Wallstreet in New York. Sie fordern die Entmachtung der Märkte, Demokratie auch in der Wirtschaft. Sie haben völlig recht.

Hans-Jürg Fehr, Nationalrat

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