Der Stadtkanton ist eine Totgeburt

Nationalrat Hans-Jürg Fehr über die neu lancierte Strukturdebatte. –

Der Vorgang hat Seltenheitswert: Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Kantonsrates stösst überparteilich einstimmig eine neue Diskussion über das Verhältnis zwischen Gemeinden und Kanton an. In gebotener Zurückhaltung legt sie sich nicht schon am Anfang der gewünschten Debatte fest auf eine bestimmt Variante, sondern öffnet den Blickwinkel auf vier verschiedene Richtungen, in die sich Schaffhausen entwickeln könnte oder sollte. Bloss eine Meinung wird offenbar überparteilich einstimmig vorab schon geteilt: So, wie die Strukturen sind, sind sie nicht mehr gut genug, sind sie vor allem nicht zukunftsfähig genug. Darüber wird als erstes zu diskutieren sein.

Ich für meinen Teil unterstütze diese Ansicht. Es gibt Reformbedarf, auch wenn nicht übersehen werden sollte, dass der Kanton Schaffhausen des Jahres 2011 nicht mehr der gleiche ist wie derjenige des Jahres 2000. Immerhin ist jede fünfte Gemeinde seither als politische Einheit verschwunden und zu einem blossen Ortsteil geworden. Dieser Prozess der Eingemeindung wird wahrscheinlich schon nächstes Jahr fortgesetzt, wenn sich Guntmadingen und Beringen ihr Ja-Wort geben. Weitere Fusionen oder Eingemeindungen sind absehbar. Diese beachtliche Dynamik wirft die Frage auf, warum das der GPK nicht genügt? Immerhin erfüllt dieser Prozess eine der entscheidenden Bedingungen, die auch die GPK stellt, dass Strukturveränderungen nämlich von unten kommen sollten und nicht von oben verordnet werden dürfen.

Was mich am Denkansatz der GPK stört, ist die Fixierung auf die Verwaltungskosten. Mit diesem Massstab gemessen ist leicht vorstellbar, dass ein Stadtkanton günstiger zu verwalten wäre als ein Kanton, in dem es auch noch eigenständige Gemeinden gibt, die sich ein Stück weit selbst verwalten. Es müssen aber noch ein paar andere Massstäbe beigezogen werden, zum Beispiel diejenigen der Rechtstaatlichkeit und der föderalistischen Machtteilung. Wer die unterste Staatsebene abschafft, zentralisiert Macht und beseitigt einen Rechtsweg: Gegen Entscheide der Gemeindebehörden kann nicht mehr Rekurs beim Kanton erhoben werden, wenn es die Gemeinden nicht mehr gibt.

Auf die Option Stadtkanton ist aus staatspolitischen und rechtsstaatlichen Gründen zu verzichten . Sie wird in den Gemeinden enorme Widerstände wecken und verträgt sich nicht mit der Idee einer von unten angestossenen und getragenen Strukturreform. Mehr Potenzial hat die Bereinigung der Gemeindestrukturen, die der Kanton mit einer geschickten Politik von Anreizen und Ansprüchen vorantreiben sollte.

Hans-Jürg Fehr, Nationalrat

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